Gigerheimat: Editorial (Januar 2005)
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Mehr Gelassenheit bitte !

Erinnern Sie sich noch an die Anfänge des Internets ? Damals konnte man von schnellen und stabilen Datenleitungen nur träumen. Man wusste zwar, dass sie eines Tages kommen würden, doch klar war auch, dass das noch ein paar Jährchen dauern würde. Jetzt ist es so weit.

Dieses sehnsuchtsvolle Warten auf Entwicklungen, die mit Sicherheit kommen werden, wenn auch nicht gleich, gilt auch für andere Bereiche. Klar ist zum Beispiel, dass in der Arbeitswelt eines fernen Tages Erfahrungswissen wieder geschätzt sein wird. Doch bis aus der Mehrheit der deutschen Unternehmen, die niemanden über 50 beschäftigen, eine kleine Minderheit geworden ist, wird noch einige Zeit vergehen. Die demografische Entwicklung verläuft schleichend, wenn auch unaufhaltsam.

Wenn, worauf viele Zeichen hindeuten, unsere Geselschaft nicht nur älter wird, sondern auch reifer, führt dies zwangsläufig zu einer Veränderung der Kultur, vor allem der Werte. Es werden uns andere Werte etwas wert sein als heute.

Im Zentrum des reifen Werteuniversums steht die schöne Tugend der Gelassenheit. Unsere Kultur wird gelassener werden. Und das ist auch gut so. Statt ständig gespeedet herumzudüsen, werden wir uns vermehrt ruhig und gelassen zurücklehnen und uns erst einmal fragen, ob sich der ganze Aufwand wirklich lohnt, ob er es wert sei, die eigene Gesundheit durch permanenten Stress zu gefährden.

Der Soziologe Gerhard Schulze sieht eine Kultur der Annäherung und des Ankommens heraufdämmern, in der die zwanghafte Suche nach immer neuen Ufern in den Welten von Nutzen und Können allmählich abgelöst wird durch eine gelassene Arbeit am eigenen Sein und Sinn.

Noch sind wir nicht so weit. Auch wenn das Ausmass der Flutkatastrophe in Südostasien unfassbar schien, ist es doch unverzeihlich, wenn eine sonst seriöse Schweizer Tageszeitung mit der Schlagzeile auftrat "Die gröste Naturkatastrophe aller Zeiten". Die Saurier würden, wenn sie noch könnten, bestimmt zu einer anderen Rangliste kommen und uns zu etwas mehr Gelassenheit mahnen.

Auch die zu Zeiten des Jahreswechsel üppig spriessenden Zukunftsprognosen zeugen nicht von eben viel Gelassenheit. Wer die Zukunft in den schwärzesten Farben malt, findet am meisten Gehör. Dumm ist nur, dass jene, die sich zu Recht dagegen wehren, die Zukunft schlecht zu reden, oft ebenfalls alles andere als gelassen reagieren und ihrerseits in Alarmismus ausbrechen - nur diesemal einfach über den grassierenden Alarmismus...

Gelassen, wenn auch erfreut, nehme ich dagegen zur Kenntnis, dass in meiner Umgebung das Mass an Gelassenheit sehr wohl ansteigt. Dasselbe Ergebnis bringt auch eine Selbstbeobachtung. Wie weit das einfach die Gnade der zunehmenden Jahrringe ist, und welchen Anteil ich selbst daran habe, wage ich nicht zu beurteilen. Fest steht nur, dass sich diese gewachsene Gelassenheit gut anfühlt. Weshalb ich auf eine Fortsetzung hoffe...

Einen ähnlichen Prozess wünsche ich Ihnen auch.

Und überhaupt:

 

 

 

 

Ein weiterer, mehr poetischer Beitrag zum Thema Gelassenheit ist die erste Ausgabe meiner neuen Bild-Text-Serie im "Appenzeller Magazin" namens "A. ist überall". Sie trägt den Titel Nebelgrenze.