Insgesamt
fünfzehn Lebensqualit?ts-Sph?ren haben wir mittlerweile identifiziert, n?mlich
sieben Lebens-Sph?ren und acht Werte-Sph?ren. In einigen F?llen wurde bereits
auf Zusammenh?nge und Verwandtschaften zwischen einzelnen Sph?ren hingewiesen,
doch dr?ngt sich an dieser Stelle verst?rkt die Frage auf, wie wir mit der
Gesamtheit dieser Lebensqualit?ts-Sph?ren umgehen und sie gleichsam alle unter
einen Hut kriegen.
Ein
erstes Prinzip dafür haben wir immer wieder bereits bei den überlegungen zu den
einzelnen Sph?ren kennen gelernt: das richtige Ma?. Wenn wir eine Sph?re zu
wenig ernst nehmen und zu wenig in sie investieren, reduziert das unsere
Lebensqualit?t ebenso wie wenn wir es mit der Bedeutung einer Sph?re übertreiben
und so viel in sie investieren, dass das auf Kosten anderer Sph?ren geht
– und damit auf Kosten unserer Gesamt-Lebensqualit?t.
Weil
dieses richtige Ma? individuell unterschiedlich ausf?llt, und weil es sich je
nach Lebensphase und Situation auch ver?ndern kann, gibt es dafür keine
verbindlichen Eich-Ma?st?be, die wir einfach abrufen k?nnten. Somit l?sst sich
der Sinn für das richtige Ma? auch nicht in klassischer Weise lernen, es geht
vielmehr um die Entwicklung eines Gespürs, eines Gefühls dafür. Dass diese
Lernschritte einige Lebenszeit brauchen, versteht sich von selbst.
Das
ist beim zweiten Prinzip nicht anders, n?mlich jenem der Balance. Das richtige
Ma? innerhalb einer Lebensqualit?ts-Sph?re bemisst sich ja nicht isoliert von
den anderen Sph?ren, vielmehr ist es tats?chlich eine Frage der richtigen
Balance zwischen allen Sph?ren. Balance aber, das wissen alle, die
entsprechende F?higkeiten bei einer sportlichen Bet?tigung brauchen, kann man
ebenfalls nicht aus einem Schulbuch lernen, man muss vielmehr ein Gefühl dafür
entwickeln, und das geht nur durch lange übung.
Auch
bei den Lebensqualit?ts-Sph?ren ist es so. Perfekte Balance zwischen ihnen
würde bedeuten, dass keine zu kurz kommt und keiner eine übertriebene Bedeutung
zukommt. Perfektion in einem absoluten Sinne ist wohl kaum m?glich, aber im
Laufe eines langen Lebens k?nnen wir diesem Zustand doch ziemlich nahe kommen.
Was auch n?tig ist: Unsere Gesamt-Lebensqualit?t h?ngt entscheidend von einer
ausgewogenen Balance zwischen den einzelnen Lebensqualit?ts-Sph?ren ab.
Im
Bild von der Balance steckt noch die Vorstellung, die einzelnen
Lebensqualit?ts-Sph?ren w?ren relativ unabh?ngig voneinander. Das ist natürlich
nur bedingt der Fall, wie wir beispielsweise bei den engen Verflechtungen
zwischen den Sph?ren der Echtheit, der Offenheit und des Respekts gesehen
haben. Wenn wir die einzelnen Sph?ren unter einen Hut bekommen wollen, geht es
also auch um deren Integration. Das bedeutet, Zusammenh?nge und Verflechtungen
zwischen den einzelnen Sph?ren zu erkennen und zu nutzen. Als kleines Beispiel
sei die Verbindung der Sph?ren der Gesundheit mit jener des Raums erw?hnt: Wenn
wir einen Wohnort w?hlen, an dem es uns wohl ist, ja der uns gar Kraft gibt,
tun wir natürlich gleichzeitig auch etwas für unsere Gesundheit. Wenn Sie sich
bewusst mit Ihrer eigenen Lebensqualit?t auseinandersetzen, entdecken Sie mit
Bestimmtheit weitere solche Zusammenh?nge, die das Potenzial zur Integration
verschiedener Sph?ren in sich bergen.
Lebensgestaltung
mit dem Ziel der Optimierung unserer Lebensqualit?t braucht somit beim
Zusammenschluss aller Lebensqualit?ts-Sph?ren die F?higkeiten, das richtige Ma?
zu finden, die einzelnen Sph?ren richtig auszubalancieren, sowie sie
miteinander zu integrieren. Genau das ist es, was man seit der Antike unter
Lebens-Kunst versteht: die Kunst der Lebensgestaltung auf h?chstem Niveau.
Die
Sph?re der Lebens-Kunst ist, nach den bisherigen überlegungen logisch, den
anderen fünfzehn Sph?ren übergeordnet. Sie sorgt dafür, dass keine der übrigen
Sph?ren zu kurz kommt oder übertreibt, und sie nutzt die Potenziale der
Integration verschiedener Sph?ren. Ich sehe diese Sph?re nicht als
hierarchischen Chef, der alles bestimmt, sondern eher als Erste unter Gleichen,
als Moderatorin gleichsam, die behutsam für eine Einigung der übrigen Sph?ren
sorgt. Grund genug, sich um diese Sph?re sorgf?ltig zu kümmern, gibt es
jedenfalls genug.
Das
alles klingt nach einem hohen, fast nicht zu erfüllenden Anspruch, und der
Begriff der Lebens-Kunst verst?rkt diesen Eindruck noch. Schlie?lich wissen wir, dass zum Künstler-Sein
nur wenige berufen sind, n?mlich Menschen mit absolut au?ergew?hnlichen
Talenten. Ist also auch Lebens-Kunst einer kleinen privilegierten Minderheit
vorbehalten?
Zum
Glück nein, denn der Begriff der Lebens-Kunst ist etwas unglücklich gew?hlt.
Viel passender hei?t die Sache Lebens-Kunsthandwerk. Ein Kunsthandwerk aber ist viel leichter zug?nglich
als eine eigentliche Kunst; wer nicht gerade das Pech hat, v?llig bar jeden
Talents zu sein, kann es lernen, immer vorausgesetzt, er oder sie ist bereit,
dafür ordentlich zu üben. Ein paar geistige Anregungen von au?en – so wie
diese hier – k?nnen dabei nichts schaden, aber sie k?nnen niemals den
besten Lehrmeister für Lebenskunst ersetzen: das Leben selbst – Ihr
Leben.
Der
Philosoph Wilhelm Schmid bezeichnet dieses Lernen und üben als ?Lebensarbeit“,
die er unterteilt in die Arbeit an uns selbst, Arbeit an Freundschaft,
Familienarbeit, Bürgerarbeit, Mu?e als Arbeit, Arbeit am Sinn und schlie?lich
Erwerbsarbeit. Natürlich gibt es keine Lebenskunst ohne anstrengende Arbeit,
aber ich habe doch meine Zweifel, ob es eine geglückte Wortwahl ist, sie so
ausschlie?lich auf den Aspekt der Arbeit zu reduzieren, denn auch beim üben
unserer Lebens-Kunst f?llt uns immer wieder mal was zu, ganz einfach so als
Geschenk und ohne eigenen Verdienst.
Ausgesprochen
gut gef?llt mir jedoch die Formulierung, die Schmid im Zusammenhang mit der
Arbeit an sich selbst verwendet, sicher dem wichtigsten Feld von Lebens-Kunst:
Diese Arbeit an sich selbst solle man tun um einer Selbstbefreundung willen. Mit sich selbst befreundet zu sein, ist
sicher ein lohnendes Ziel von Lebens-Kunst, eines, das uns helfen kann, uns
immer wieder neu zu motivieren, in diesem Kunsthandwerk noch besser zu werden.
Hilfreich
dabei ist schlie?lich auch die Perspektive der Reifung: Lebens-Kunst braucht
Zeit zum reifen. Umgekehrt hei?t das: Wir k?nnen tats?chlich immer besser
werden und damit darauf hoffen, dass wir in reiferen Jahren das Kunsthandwerk
des Lebens beherrschen werden, auch wenn Perfektion ein illusorisches Ziel
bleiben muss. Und das bedeutet, dass wir echten Grund haben, uns auf das ?lter
Werden zu freuen. Einfach darum, weil unsere F?higkeit zur Lebens-Kunst besser
wird – und damit auch unsere Lebensqualit?t...
Zum
überdenken Ihrer eigenen Lebensqualit?t und deren Sph?ren werden in der
folgenden Abbildung alle sechzehn Sph?ren noch einmal im überblick grafisch
dargestellt: