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Jenseits von Kundenzufriedenheit

Für das, was jenseits (normaler) Kundenzufriedenheit liegt, gibt es jetzt ein attraktives Projekt: NAchhaltige KUndenZUfriedenheit

 

Noch mitten im Flug wollte neulich eine Luftfahrtsgesellschaft von mir wissen, wie zufrieden ich mit ihr sei. Weil ich diese Idee grundsätzlich gut finde, machte ich mich hinter den Fragebogen und verteilte brav meine Noten für Freundlichkeit, Essensqualität oder Wartezeiten. Dabei verspürte ich eine gewisse Lustlosigkeit. Manches konnte ich gar nicht wirklich beurteilen, anderes war für mich völlig irrelevant. Und als ich fertig war, merkte ich, dass ich mit der Ausführung dieser gut gemeinten Idee unzufrieden war.

Dann lese ich in einer Zeitschrift, die mir eine Kundin geschenkt hat, weil sie — zu Recht — annahm, ich würde auf einen Untertitel wie Management mit gesundem Menschenverstand fliegen, die Geschichte von Herrn Künzle, der selbigen Tags von seiner Autowerkstatt, von seiner Bijouterie und von seinem Lieblingsrestaurant mit einem Fragebogen zur Messung der Kundenzufriedenheit beglückt wurde, worauf er fand, was zu viel sei, sei zu viel.

Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie erinnert mich diese inflationär um sich greifende Manie, ständig die Kundenzufriedenheit zu messen, fatal an jene Frage, mit der bis heute die Kellnerin in manchem Schweizer Restaurant die Gäste beim Abräumen der Teller beglückt: Isch´s rächt gsii? (War es recht?)

Eigentlich würde ich dabei jedes Mal am liebsten los schreien, das sei die völlig falsche Frage, darum ginge es doch nicht, und überhaupt: "rächt" reicht einfach nicht mehr! Doch dann lasse ich diese ohnehin sinnlosen Bekehrungsversuche und kehre ganz einfach nie wieder, auf die Marktkräfte vertrauend, die solche Angebote, die sich mit einer minimalen Kundenzufriedenheit begnügen, hoffentlich rasch hinweg fegen werden.

Was mich an solchen Geschichten am meisten ärgert, ist vermutlich der Umstand, dass hier um etwas reichlich Aufhebens gemacht wird, das eigentlich selbstverständlich sein sollte. Ich habe jedenfalls an meinem Gemüsestand schnell gelernt, dass die Zufriedenheit meiner Kundinnen eine selbstverständliche Voraussetzung für meinen längerfristigen Erfolg bildet, denn nur zufriedene Kundinnen kommen wieder, und ohne Stammkundschaft hätte ich meinen Stand längst dicht machen müssen.

Diese Gesetzmäßigkeit hat einen tieferen Grund. Zufriedenheit ist nämlich ein erstrebenswerter Gemütszustand. Sie schenkt Seelenruhe und —frieden, gibt heitere Gelassenheit, zaubert ein Lächeln auf unser Gesicht. Und anders als beim launischen und flüchtigen Glück können wir Zufriedenheit mit etwas gütiger eigener Nachhilfe durchaus als Dauerzustand erleben. (Siehe Zufriedenheit: das unterschätzte Mauerblümchen)

Die Möglichkeit zur gütigen Nachhilfe durch uns selbst besteht darin, dass wir frei sind in der Gestaltung unserer Erwartungen. Und daraus besteht die Hälfte von Zufriedenheit, denn wir sind umso zufriedener, je näher die Realität an unseren Erwartungen liegt. Die Realität können wir meist nicht beeinflussen, wohl aber deren Interpretation (siehe die Geschichte mit dem halb gefüllten Glas). Und eben unsere Erwartungen.

Wenn wir unsere Erwartungen zu hoch schrauben, hinkt die Realität allzu weit hinterher, und wir sind unzufrieden. Es kann also ein Akt der Klugheit sein, seine eigenen Erwartungen auf ein realistischeres Maß herunter zu schrauben, weil das die Zufriedenheit mit der Realität verbessert.

Doch wie überall im Leben geht es auch hierbei um das richtige Maß. Das heißt, wir können unsere Erwartungen auch zu sehr runter schrauben und versinken dann in einer unangemessenen Bescheidenheit. Für die Konsumentinnen und Konsumenten auf vielen Märkten scheint das zuzutreffen.

Manchmal werden ja die Ergebnisse von Kundenzufriedenheitsmessungen (was für ein Wortungetüm) veröffentlicht und zeigen dabei (natürlich) meist erstaunlich hohe Werte. Was mich deshalb verwundert, weil die Geschichten, die ich am Gemüsestand zu hören kriege, eine ganz andere Sprache sprechen. Da höre ich Klagen über übergriffige Verkaufsmaßnahme, über Zeit-Diebe, über ständig Veränderungen, wo Kontinuität angesagt wäre (und umgekehrt), über mangelnden Respekt, über mauerndes Abwehrverhalten bei berechtigten Reklamationen oder gut gemeinten Vorschlägen.

Das alles sind persönliche schlechte Erfahrungen beim Konsum, die tief im Gedächtnis haften bleiben und die faktische Kundenzufriedenheit nach unten drücken. Das Dumme ist nur, dass dafür in den Standardfragebogen zur Kundenzufriedenheit kein Raum vorgesehen ist. Und so werden denn die viel zu allgemeinen Fragen lustlos beantwortet. Na ja, man erwartet auf Grund gemachter Erfahrungen ohnehin nicht mehr viel, und das bekommt man einigermaßen. Und schon ergibt sich aus tiefen Erwartungen und tiefer Erfüllung eine hohe Kundenzufriedenheit.

In meinem Geschäft würde das nicht funktionieren. Kundinnen, die nur lau zufrieden sind, lassen sich leicht von anderen verführen, sei es mit tieferen Preisen für dieselbe mäßige Qualität, oder sei es mit besseren Angeboten. Nur rundum zufriedene Kundinnen kommen immer wieder.

Natürlich gibt es auch darunter manchmal eine, die mit etwas unzufrieden ist. Doch weil sie weiß, dass das eine Ausnahme ist, schmälert das ihr grundsätzliches Vertrauen in mich und meine Ware nicht.

Ich schließe aus solchen Überlegungen, dass es solche und solche Zufriedenheit gibt. Noch geben sich erstaunlich viele Kunden mit der Schmalspurversion zufrieden, jener mäßigen Zufriedenheit, die sich aus Resignation nährt und deshalb immer ein unterschwelliges Grollen verursacht. Aber so wird es nicht ewig bleiben. Auf Dauer werden sich in anspruchsvoller werdenden Märkten nur jene Anbieter halten, für die nicht nur die Schmalspurzufriedenheit, sondern auch die Rundumzufriedenheit der Kunden eine Selbstverständlichkeit darstellt.

Denn nur wenn diese Pflicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten erledigt ist, bekommen Anbieter Kopf, Herz und Hand frei für die Kür. Und diese Kür heißt, den Kunden mehr geben zu wollen als diese erwarten.

Rundumzufriedenheit, das kenne ich von meinem Gemüsestand, genügt für den größten Teil der Kundschaft. Aber nicht für alle. Nicht für jene Fans einer Marke, die für diese die wichtigsten Kunden sind, weil sie mit ihrer Begeisterung buchstäblich ansteckend wirken. Es sind immer die Fans, die eine Marke wirklich abheben lassen.

Diesen Fans aber genügt Zufriedenheit nicht. Sie wollen nicht nur all ihre Erwartungen erfüllt haben, sie wollen auch, dass das Angebot oder die Marke sie überrascht, etwas in ihnen anspricht, das sie bisher noch gar nicht gekannt haben.

Dieses gewisse Etwas aber liefert man nicht, wenn man einfach die Erwartungen der Kunden zu deren Zufriedenheit erfüllt. Dazu braucht es eine eigene Begeisterung, die nur einbringen kann, wer selber der größte Fan seines Angebots ist. Aus diesem Geist der Kür entsteht bei der Kerngruppe der Kunden eine Begeisterung, die jenseits von Kundenzufriedenheit liegt.

Rundumzufriedenheit der Kunden wird mehr und mehr zur selbstverständlichen Pflicht. Entschieden aber wird der Tanz der Marketing-Zukunft in der Kür.

Dies ist gleichsam das dreizehnte Kapitel aus dem Bändchen Die Philosophie der Marktfrau - Gedanken zur Zukunft des Marketings, also ein Bonus-Track nicht nur für die Käufer jenes Bändchens. Obwohl es schon hilft, wenn man die anderen zwölf Kapitel auch kennt...