Gigerheimat: Werte |
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6. In den Tiefen der Werte-Räume
Wenn wir neue Menschen kennenlernen, dauert es einige Zeit, bis wir verläßlichen Aufschluß über ihre Werte bekommen. Wir müssen dazu aufmerksam zuhören, was sie sagen, beobachten, was sie tun, wofür sie ihre Zeit und Energie einsetzen. So finden wir allmählich heraus, was ihnen wichtig ist und wonach sie sich orientieren, also was ihre Werte sind.
Diese Möglichkeit haben wir weder bei den leibhaftigen Menschen, die SensoNet bilden, noch bei der Projektion des Typs Lebensgestalter. Womit uns nichts anderes übrigbleibt als uns zu fragen, was Werte eigentlich sind, und wie wir auf anderen Wegen Aufschluß über die Werte von Lebensgestaltern gewinnen könnten.
Nun, Werte sind zunächst das, was einem etwas wert ist. Es gibt dabei materielle und immaterielle Werte. Immaterielle Werte sind es vor allem, die uns hier interessieren, denn sie beeinflussen nach landläufiger wie nach wissenschaftlicher Meinung ganz wesentlich das, was wir tun. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten orientieren wir uns nach unseren Werten.
Und weil es sich bei diesem System von Werten um eine ziemlich komplexe, ja teilweise chaotische Sache handelt (es gibt z.B. Werte, die sich widersprechen und deshalb in Konflikt geraten können), sprechen wir von Werte-Räumen. Und die wollen wir im folgenden ein wenig ausloten.
Das "ein wenig" ist dabei mehr als Koketterie: mehr geht nicht. Denn ebenso wie (immaterielle) Werte nur Worte sind und nichts als Worte, so sind sie eben auch immer mehr als Worte und deshalb mit diesen nie ganz erfaßbar. Das soll uns nicht daran hindern, mit Hilfe von Worten einige Einblicke in die Werte-Räume von Lebensgestaltern zu gewinnen - und ebenso in jene von SensoNet, das hier stellvertretend steht für die real existierenden Menschen. Wir wissen nämlich aus früheren SensoNet-Fragen, die wir zu Vergleichszwecken auch repräsentativen Stichproben der (deutschsprachigen) Gesamtbevölkerung gestellt haben, daß sich bei solchen grundsätzlichen Wertefragen wenig Unterschiede ergeben. Das bedeutet, daß SensoNet beim Malen seines Selbstbilds in Wertefragen für mehr spricht als für sich selber. Umso spannender wird deshalb der Vergleich zwischen dem Selbstbild und dem möglichen Leitbild "Lebensgestalter".
Wenn wir schon davon ausgehen, Werte seien untrennbar mit Worten verbunden, beginnen wir mit einer Frage nach (Reiz-)Worten: Welche Worte machen heiß ? Das ist zugegebenermaßen eine reichlich spielerische Annäherung an das ernste Thema Werte, zumal jede Auswahl solcher Reizworte nicht ohne einen ordentlichen Schuß Willkür auskommt. Doch manchmal nimmt man etwas am meisten ernst, wenn man mit ihm spielt. Also schauen wir doch einfach mal, was passiert, wenn wir fragen, welche Reizworte man selber heiß findet und welche wohl Lebensgestalter heiß fänden. Hier die Ergebnisse:
Reizworte als Werte-Träger
Apropos Reizworte: Welche betrachten Lebensgestalter-Prototypen als heiß ?
(Welche als warm, welche als kalt ?). Und was ist Ihre eigene jeweilige Einstufung ?
Selbstbild |
Lebens- gestalter |
||
Gerechtigkeit |
84% |
50% |
|
Lebensfreude |
84% |
73% |
|
Leben |
81% |
78% |
|
Eigenverantwortung |
80% |
84% |
|
Liebe |
80% |
51% |
|
Freiheit |
79% |
89% |
|
Freundschaft |
78% |
49% |
|
Gefühle |
72% |
42% |
|
Wahrheit |
71% |
39% |
|
Lebenssinn |
70% |
59% |
|
Intelligenz |
68% |
68% |
|
Phantasie |
68% |
69% |
|
Lernen |
67% |
62% |
|
Selbstbestimmung |
67% |
81% |
|
Optimismus |
62% |
68% |
|
Soziale Verantwortung |
58% |
32% |
|
Bewußtseinserweiterung |
56% |
74% |
|
Mitgefühl ("compassion") |
54% |
27% |
|
Weisheit |
53% |
41% |
|
Selbstverwirklichung |
52% |
75% |
|
Ethik |
51% |
36% |
|
Heilung |
51% |
36% |
|
Reife |
50% |
35% |
|
Erotik |
47% |
49% |
|
Individualismus |
47% |
67% |
|
Moral |
43% |
18% |
|
Sex |
42% |
43% |
|
Fitneß |
35% |
51% |
|
High-Tech |
32% |
57% |
|
Gipfelerlebnisse |
27% |
56% |
|
Bescheidenheit |
25% |
12% |
|
Schönheit |
25% |
31% |
|
Eliten |
14% |
31% |
|
Demut |
12% |
6% |
Die Liste mit den 34 Begriffen wurde im übrigen im Fragenspiel in alphabetischer Reihenfolge abgefragt, während sie hier in Abbildung 6 danach geordnet ist, wie oft ihn SensoNet heiß fand. Allein diese Abstufung von "Gerechtigkeit" und "Lebensfreude" mit je 84% bis "Demut" mit noch gerade 12% Nennungen für "heiß" böte Stoff für ganze wissenschaftliche Abhandlungen, aber auch pralle Romane. Beides können Sie selber machen und dabei erst noch Ihre persönliche Position in diesem Werte-Raum mit den Gesamtergebnissen vergleichen...
Uns interessiert hier vor allem die Frage, ob und wie weit sich dieser real existierende Werte-Raum von SensoNet von jenem fiktiven, den man den Lebensgestaltern zuschreibt, unterscheidet. Das ist, wie beim Betrachten der Ergebnisse unschwer zu sehen ist, nicht überall der Fall. Bei manchen durchaus wichtigen Werten gibt es zwischen dem Selbstbild und dem Leitbild Lebensgestalter keine oder so gut wie keine Unterschiede. Das gilt etwa für "Leben", "Eigenverantwortung", "Intelligenz", Phantasie", "Lernen" oder "Optimismus". Alle sind gleichzeitig wichtige Werte im Konzept Lebensgestalter und im eigenen Selbstbild.
Dann gibt es Reizworte, die bei "Lebensgestaltern" einen deutlich höheren Wert erzielen als im eigenen Selbstbild. Am deutlichsten gilt dies für "Freiheit", "Selbstbestimmung", Bewußtseinserweiterung", "Selbstverwirklichung", "Individualismus", "Fitneß", "High-Tech" und "Gipfelerlebnisse".
Das Bild ist eindeutig: Lebensgestalter im Land von Freiheit und Abenteuer, unbeirrt auf dem Selbstverwirklichungs-Trip unterwegs zu Gipfelerlebnissen und Bewußtseinserweiterung, dabei immer cool und fit bleibend. Dieses Bild ist gleichzeitig ein echtes Leitbild ("ein ganzes Stück weit möchte ich so sein") und eine Karikatur, die deutlich über das Ziel hinausschießt ("Selbstverwirklichung" ist zwar wichtig, aber so wichtig denn nun auch wieder nicht).
Nun wäre diese deutlich über die eigenen Bedürfnisse hinausgehende Betonung von individualistischen Werten durch die (fiktiven) Lebensgestalter nicht der Rede wert, wenn SensoNet dafür nicht einen hohen Preis wahrnähme. Dieser wird überall dort sichtbar, wo SensoNet den Eindruck hat, Lebensgestalter nähmen bestimmte Werte weniger wichtig als man selbst. Das ist sehr deutlich sichtbar bei Begriffen wie "Gerechtigkeit", "Liebe", Freundschaft", "Gefühle", "Wahrheit", "soziale Verantwortung" oder "Mitgefühl (compassion)". Ganz klar wird damit der bereits geäußerte Verdacht bestätigt: Die konsequente Realisierung der Werte von Lebensgestaltern führt zu einem Verlust an sozialer Wärme. Gefühle und Mitmenschlichkeit gehen baden, wenn man voll auf Autonomie und Individualismus setzt.
Das ist natürlich etwas zu kraß formuliert. Fest steht aber, daß es bei SensoNet eine deutliche Skepsis darüber gibt, ob sich die individualistischen und die sozialen Werte-Räume verbinden lassen. Und dabei haben wir die Werte-Räume noch längst nicht vollständig ausgeleuchtet:
Momente des Wohlfühlens
In welchen Momenten ihres Lebens fühlen sich Lebensgestalter so richtig wohl ?
Und wie geht Ihnen das persönlich ?
Selbstbild |
Lebens- gestalter |
|
Wenn sie ihr Leben im Griff haben |
67% |
54% |
Wenn es ihren Lieben gut geht |
62% |
20% |
Wenn sie sich in ihrem Körper zu Hause fühlen |
58% |
45% |
Wenn sie Lob und Anerkennung bekommen |
58% |
36% |
Wenn sie etwas dazu gelernt haben |
57% |
39% |
Wenn ihre Seele die Beine baumeln lassen kann |
55% |
28% |
Wenn sich Gefühl und Verstand im vollkommenen Einklang befinden |
54% |
54% |
Wenn ihr Geist hellwach ist |
53% |
58% |
Wenn sie ein Gefühl von Sinn verspüren |
51% |
42% |
Wenn sie schöpferisch tätig sind |
48% |
65% |
Wenn sie frei und unabhängig sind |
47% |
74% |
Wenn sie die Welt ein kleines bißchen besser machen können |
46% |
51% |
Wenn sie gut verdienen |
34% |
41% |
Wenn sie sich im "Flow-Zustand" befinden (totales Aufgehen im konzentrierten Tun) |
30% |
47% |
Wenn sie allein sind |
16% |
7% |
Was macht unglücklich ?
Und was macht Lebensgestalter (bzw. Sie) unglücklich ?
Selbstbild |
Lebens- gestalter |
|
Intoleranz |
72% |
63% |
Das Unglück ihrer Lieben |
65% |
27% |
Krankheiten, Unfälle |
64% |
45% |
Eigene Dummheit |
61% |
42% |
Zementierte Strukturen |
56% |
63% |
Schicksalsschläge |
54% |
26% |
Dogmatismus |
50% |
64% |
Sinnloses Tun |
48% |
46% |
Das Elend der Welt |
47% |
37% |
Abhängigkeiten |
45% |
62% |
Die Dummheit anderer |
43% |
43% |
Alleinsein |
37% |
24% |
Widersprüche zwischen Gefühl und Verstand |
36% |
31% |
Der Zustand der natürlichen Umwelt |
35% |
34% |
Reformstau |
34% |
54% |
Nicht zu bekommen, was man will |
18% |
33% |
Weil Werte so subtil sind, daß man kaum direkt darüber reden kann, bedienen wir uns verschiedener spielerischer Zugänge, unter anderem der Frage, in welchen Momenten man sich so richtig wohl fühlt (Abbildung 7) , und als Gegenstück, was einem unglücklich macht (Abbildung 8). Und wiederum ergeben sich vor allem aus dem Vergleich zwischen dem Selbstbild und dem Leitbild Lebensgestalter interessante Erkenntnisse.
Bestätigt wird zunächst deutlicher denn je, daß dem Leitbild Lebensgestalter der Sinn für die normale zwischenmenschliche Dimension fehlt - immer in den Augen von SensoNet natürlich. So fühlen sich 62% von SensoNet wohl, wenn es ihren Lieben gut geht, aber nur 20% glauben das auch von den Lebensgestaltern ! Umgekehrt macht für 65% von SensoNet sie das Unglück ihrer Lieben selber unglücklich - von den Lebensgestaltern vermutet man das nur zu 27%.
Lebensgestalter sind deswegen in den Augen von SensoNet nicht automatisch asoziale Monster. Sie leben nur das, was vom modernen Menschen gefordert wird, konsequent zu Ende, sind deshalb glücklich, wenn sie frei und unabhängig sind. Dabei geht es ihnen weniger um ihr Einkommen, sondern sie sind dann glücklich, wenn sie schöpferisch tätig sind, vor allem im "Flow-Zustand", also wenn sie total in ihrem konzentrierten Tun aufgehen.
Starre Strukturen, die sie auf diesem Weg behindern ("Reformstau", "Dogmatismus") machen sie dabei über das Maß hinaus unglücklich, das man selber darob auch verspürt, und was Lebensgestalter nun mal nicht leiden können, sind Abhängigkeiten.
Und dabei sind sie cooler als man selbst: Lebensgestalter brauchen nicht unbedingt das Gefühl, ihr Leben im Griff zu haben, sie können schließlich auf den Chaos-Wellen surfen. Sie brauchen weniger als man selbst das Gefühl, im eigenen Körper zu Hause zu sein, müssen ihre Seele viel weniger auch mal baumeln lassen können. Und sie sind deutlich weniger auf Lob und Anerkennung von außen angewiesen, um glücklich zu sein.
Lebensgestalter haben offenbar so viel innere Stärke, daß sie von Schicksalsschlägen von außen viel weniger berührt werden als normale Menschen, Krankheiten und Unfälle machen sie viel weniger unglücklich als einem selbst.
Um das sich allmählich herausschälende Bild der Lebensgestalter mit seinen Licht- und Schattenseiten noch etwas plastischer zu machen, haben wir zwei Fragen nach dem Anfang ("Welche Werte möchte man der nächsten Generation weitergeben ?" - Abbildung 9) und nach dem Ende gestellt ("Was sollte über dem eigenen Nachruf stehen ?" - Abbildung 10):
Mitgift-Werte für das 21. Jahrhundert
Welchen Katalog von Werten und Fähigkeiten wollen Lebensgestalter (und Sie) unbedingt ihren Kindern bzw. generell der nächsten Generation, als Mitgift für das 21. Jahrhundert weitergeben ?
Selbstbild |
Lebens- gestalter |
|
Mut zum eigenen Denken |
86% |
83% |
Toleranz |
81% |
62% |
Soziale Verantwortung |
79% |
60% |
Einfühlungsvermögen |
77% |
48% |
Naturliebe |
76% |
50% |
Mitgefühl |
70% |
37% |
Vielseitigkeit |
65% |
65& |
Höflichkeit |
63% |
30% |
Pflichtbewußtsein |
63% |
38% |
Freiheitsliebe |
63% |
70% |
Individualität |
59% |
68% |
Unabhängigkeit |
52% |
73% |
Anpassungsfähigkeit |
40% |
32% |
Sich in Ordnungen einfügen können |
35% |
18% |
Authentizität |
34% |
42% |
Eigensinn |
17% |
30% |
Was soll über dem eigenen Nachruf stehen ?
Wenn Lebensgestalter sich aussuchen könnten, welcher Titel über ihrem Nachruf stehen sollte, welchen der folgenden Vorschläge würden sie wohl auswählen (höchstens drei !) ? Und auf welche Titel entfiele Ihre persönliche Wahl ?
Selbstbild |
Lebens- gestalter |
|
I did it my way ! |
32% |
35% |
X hat in dieser Welt etwas bewegt |
26% |
42% |
X mit dem Gefühl, die Herausforderung Leben gemeistert zu haben |
25% |
33% |
X hat etwas Bleibendes geschaffen |
22% |
21% |
X war ein Kind der Freiheit |
18% |
34% |
X hat seinen/ihren Platz ausgefüllt |
20% |
8% |
X lebte ein Leben im Dienste seiner/ihrer Mitmenschen |
17% |
11% |
X hat seinen/ihren Teil des großen Plans gelebt |
9% |
18% |
X hat das Beste aus sich gemacht |
15% |
13% |
X hat seine/ihre Pflicht erfüllt |
12% |
4% |
X genoß das Leben in vollen Zügen |
9% |
18% |
Für X war das Leben ein einziges Spiel |
5% |
9% |
(Bitte beachten Sie bei dieser Frage, daß wegen der Beschränkung auf drei Antworten insgesamt tiefere Nennungszahlen entstehen !)
Die Frage nach den Mitgift-Werten zeigt wiederum Bereiche, in denen es weitgehende Übereinstimmung zwischen den Werten der Lebensgestalter und den eigenen gibt, etwa beim "Mut zum eigenen Denken", bei "Vielseitigkeit", aber auch bei "Freiheitsliebe" und "Individualität", wohingegen "Unabhängigkeit" der einzige Wert ist, den man selber deutlich weniger betont als die Lebensgestalter.
Umgekehrt werden erneut die Werte-Defizite deutlich, die SensoNet im Bild der Lebensgestalter sieht: Demnach sind diesen die sozialen Werte weniger wert als einem selbst, also etwa "Toleranz", "Einfühlungsvermögen", "soziale Verantwortung", "Mitgefühl". Dasselbe gilt auch für die sogenannten Sekundärtugenden wie "Höflichkeit" und "Pflichtbewußtsein", die man natürlich ebenso gut als konkreten Ausdruck von sozialer Sensibilität deuten kann. Und noch ein Detail am Rande: Zur Umwelt, die einem deutlich wichtiger ist als den Lebensgestaltern, gehört auch die Natur, weshalb "Naturliebe" ebenfalls ein Wert ist, der einem selbst viel bedeutet, den Lebensgestaltern aber offenbar deutlich weniger.(Abbildung 9)
Die Frage nach dem bevorzugten Nachruftitel bringt noch einige zusätzliche Details. Keinen Unterschied gibt es beim Sinatra-Titel "I did it my way !" (die Befragung fand übrigens statt, bevor uns Frankieboy endgültig verlassen hat). Dagegen gehören offenbar drei Elemente stark zum Leitbild der Lebensgestalter: Ihr starker Wunsch, in der Welt etwas zu bewegen. Ihre Sicht des Lebens als Herausforderung, die es zu meistern gilt. Und schließlich ihr unbezähmbarer Freiheitsdrang. (Abbildung 10).
Bevor wir den Versuch wagen wollen, so etwas wie ein Gesamtbild zu skizzieren, das sich in den untersuchten Werte-Räumen herauskristallisiert, wollen wir die letzte Spur einen Moment weiter verfolgen: die Bedeutung des Wertes Freiheit. Fest steht: Ohne eine enorm hohe Wertschätzung von Freiheit läßt sich kein Lebensentwurf im Sinne der Lebensgestalter denken.
Der Gedanke läßt sich weiterspinnen: Man muß auch in hohem Maße überhaupt an die Möglichkeit von Freiheit glauben, um Lebensgestalter sein zu können. Wer davon ausgeht, es sei ohnehin alles vorbestimmt - egal ob durch Gene oder Gestirne - sieht wenig Freiräume für die Gestaltung des eigenen Lebens.
Womit sich die Frage stellt, ob dieses Bild von Freiheit, von ihren Möglichkeiten und ihrer Bedeutung, das Voraussetzung für das Modell der Lebensgestalter ist, überhaupt in den Köpfen existiert. Hier deshalb die Fragen und Antworten rund um das Thema Freiheit:
Freiheit zwischen Lust und Last
Wenn wir schon beim Stichwort >Freiheit< sind: Daß Freiheit für Lebensgestalter ein wichtiger Wert ist, dürfte ebenso unbestritten sein wie ihr Bewußtsein dafür, daß Freiheit immer Lust und Last zugleich bedeuten kann, weil sie Orientierungslosigkeit und den Zwang zu eigenen Entscheidungen bedeuten kann. Wenn Sie sich das Verhältnis zwischen Lust und Last in Sachen Freiheit als Prozentverteilung vorstellen: Welche Verteilung wählen wohl typische Lebensgestalter ? Und welche Sie selber ?
Ich selber |
Lebens- gestalter |
|
Freiheit ist ... |
63% Lust |
71% Lust |
37% Last |
29% Last |
Die Idee des freien Willens
Nun gibt es ja Menschen, die grundsätzlich an der Idee der Freiheit, das heißt konkret am Modell des freien Willens, zweifeln. Welche der folgenden vier Meinungen (bitte nur eine) würden wohl typische Lebensgestalter am ehesten wählen ? Und welche Sie selber ?
Selbstbild |
Lebens- gestalter |
|
Es gibt keinen freien Willen, weil eine höhere Macht unseren ganzen Lebensweg längst festgelegt hat |
6% |
3% |
Veranlagung und Prägung (Gene, Erziehung etc.) prägen uns so sehr, daß der freie Wille illusorisch bleiben muß |
8% |
4% |
Wohl ist das Material, aus dem wir unser Leben formen, vorgegeben, doch sind wir frei darin, das Material zu formen |
63% |
42% |
In jedem Moment, bei jeder Entscheidung sind wir frei, das Richtige zu wählen |
23% |
50% |
Gibt es zu viel Freiheit ?
Kulturpessimistische Stimmen warnen vor einer zu starken Betonung von Freiheit und Individualität, weil dies zwangsläufig zu einer Ansammlung von Egoisten führen müsse, die sich nicht mehr um ihre Mitmenschen und um die Belange der Allgemeinheit kümmern. Wenn die Gesellschaft nicht mehr bindend vorschreiben könne, was die Einzelnen zu tun und zu lassen hätten, müsse die Gemeinschaft zerfallen. Was halten Lebensgestalter von diesem Einwand ? Und was Sie selber ?
Selbstbild |
Lebens-gestalter |
|
Ist voll und ganz richtig |
10% |
5% |
Da ist was dran |
45% |
21% |
Im Gegenteil: Nur aus freier Entscheidung können echte menschliche und soziale Verpflichtungen wachsen |
45% |
74% |
Ethik als Kind der Freiheit ?
Ethik als Kind der Freiheit, wie es die letzte Antwort der obigen Frage postuliert: Ist das ein realistisches Modell ? (Die Frage geht für einmal >nur< an Sie persönlich.)
Ja, ich sehe klare Anzeichen dafür |
18% |
Doch, es gibt Hinweise |
26% |
Ich bin noch unentschieden |
22% |
Ich bin da eher skeptisch |
29% |
Da sehe ich leider ganz schwarz |
5% |
Nimmt Freiheit zu ?
Wenn Sie jetzt einmal das Maß an Freiheit, das wir heute haben, mit einem Indexwert von 100 versehen: Wieviel Freiheit hatten dann die Generationen unserer Eltern und Großeltern ? Und
wieviel werden die beiden nächsten Generationen haben ?
Großeltern |
43 |
Eltern |
62 |
Wir heute |
100 |
Kinder |
107 |
Enkel |
115 |
Zusammenfassend lassen sich aufgrund dieser Antworten folgende Aussagen machen:
- Freiheit ist grundsätzlich mehr Lust als Last, aber bei den Lebensgestaltern vermutet man doch noch etwas mehr Lust und etwas weniger Last als bei einem selbst.
- Lebensgestalter glauben viel stärker an die Existenz und vor allem an die Möglichkeiten des freien Willens als "normale" Menschen.
- Lebensgestalter sind denn auch logischerweise überzeugter von den Potentialen, die in einer ganz auf Freiheit aufgebauten Gesellschaft stecken, während bei SensoNet die skeptische Haltung, wonach es auch ein Zuviel an Freiheit gebenkönnte, viel stärker ausgeprägt ist.
- Eine Ethik als Kind der Freiheit: Das ist eine Idee, zu der SensoNet keine eindeutige Haltung hat. Man sieht sowohl die Chancen als auch die Gefahren.
- Interessant schließlich die Einschätzung der Entwicklung des Maßes an Freiheit über die Generationen: Freiheit ist innerhalb der Zeit von zwei Generationen offenbar geradezu explosionsartig gewachsen. Diese Tendenz wird anhalten, aber in deutlich abgeschwächtem Tempo - vielleicht weil man einfach nicht weiß, wo es denn noch sehr viel mehr Freiheit zu holen gäbe.
Immerhin ist es interessant, daß es in Sachen Freiheit überhaupt noch positive Erwartungen gibt. In einer früheren Frage hatten wir mit demselben Modell nach der Entwicklung der allgemeinen Lebensqualität gefragt. Auch diese sah man von den Großeltern (65) über die Eltern (85) bis heute (100) wachsen, wenn auch weniger stürmisch als die Freiheit, doch für die Zukunft sieht man düsterer: Bei der Generation der Kinder erwartet man bereits wieder eine Abnahme auf 95, bei jener der Enkel gar auf 88.
Das Maß an Freiheit nimmt laut SensoNet also noch zu, aber das ist kein uneingeschränkter Grund zum Jubeln, sieht SensoNet doch sowohl die Grenzen von Freiheit als auch ihre Gefahren deutlicher als es im Idealbild von den Lebensgestaltern offenbar Platz hat. Während in diesem Idealbild der Wert Freiheit ganz klar den zentralen Platz einnimmt, ist er für die näher an den realen Menschen liegenden Mitglieder von SensoNet offenbar durchaus ebenfalls sehr wichtig - aber eben nicht allein so wichtig.
Das führt in jenen Lebensbereichen zu spürbaren Unterschieden, in denen es um das Gegenteil von Freiheit geht, also um soziale Bindungen und Verpflichtungen. Im nächsten Abschnitt wollen wir der Frage nachgehen, ob Lebensgestalter damit tatsächlich, wie es die Unterschiede in den Werte-Räumen nahelegen , weniger anfangen können als die Menschen aus Fleisch und Blut, wie sie in SensoNet versammelt sind.