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Bücher von Andreas Giger: Wir sind mehr (Leseprobe, Kapitel 1)

Die Öffnung des hautverkapselten Egos

Warum Sie mit den Fragen nach Identität und Sinn genau richtig liegen. Was die Betrachtung der Evolution bringt. Wozu ein Fußball alles nützlich sein kann.

Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Sie von grundsätzli-chen Fragen angerührt werden? Fragen wie "Wer bin ich?" oder "Was ist der Sinn des Ganzen?" Dann sind Sie hier genau richtig! Identität und Sinn sind die Themen, um die dieses Buch kreist.

Mit Ihren Fragen danach sind Sie nicht allein. Diese Fragen gehören vielmehr gleichsam zur menschlichen Grundausstattung. Es gibt zwar offenbar höher entwickelte Tiere, die so etwas wie ein Gefühl für persönliche, individuelle Identität besitzen, aber mit Bestimmtheit stellt kein Tier außer dem Menschen Fragen nach seiner Identitität. Oder gar nach dem Sinn des Ganzen.

Wir Menschen aber fragen nach Identität und Sinn, weil wir beides brauchen. Ein Mensch ohne gesunde Identität hat ernsthafte psychische Probleme, und wem das Leben völlig ohne Sinn erscheint, steckt in einer tiefen Depression. Die Abwesenheit von Identität und Sinn reduziert unsere Lebensqualität drastisch. Umgekehrt tragen starke Gefühle von Identität und Sinn ungemein zu unserer Lebensqualität bei. Es lohnt sich also sicher, sich mit beidem zu beschäftigen.

Nur, womit sollen wir das tun? Welche Instrumente stehen uns zur Verfügung, um Identität und Sinn aktiv zu fördern? Schon stoßen wir auf eine Seltsamkeit: Identität und Sinn äußern sich, wie angedeutet, in uns in Form eines Gefühls. Gefühle aber können wir uns anschauen oder verdrängen, aktiv fördern können wir sie kaum.

Zugleich sind Identität und Sinn natürlich auch geistige Konstrukte. Weder Identität noch Sinn existieren von allein, wir konstruieren beide vielmehr, indem wir uns selber Antworten auf einige grundlegende Fragen geben. Bei Identität geht es um die Frage "Wer bin ich?", aber auch um "Woher komme ich?" und "Wohin gehe ich?". Sinnfragen stellen wir uns so: "Was ist mein Platz in dieser Welt?" oder so: "Was für einen Sinn hat mein Leben?" oder "Welchen Sinn hat das Leben überhaupt?" oder gar so: "Was ist eigentlich der Sinn dieses unseres Universums?".

Solche Fragen sind wie alle Fragen eine Domäne unseres Geistes. Fragen beflügeln das Denken. Nicht ohne Grund ist die Kunst des Fragens ein wichtiges Element der Philosophie, also der Königsklasse menschlichen Denkens. Wer nach Identität und Sinn fragt, betreibt Philosophie.

Das braucht Sie nicht abzuschrecken. Philosophie braucht keine knochentrockene Denkarbeit zu sein. Die "Liebe zur Weisheit" — und nichts anderes heißt das schöne Wort Philosophie — kann auch von Normalsterblichen gepflegt werden. Und die Fragen nach Identität und Sinn sind viel zu wichtig, um sie einer abgehobenen universitären Fakultät zu überlassen. Wir können sie uns nur selber stellen. Und auch nur unsere eigenen Antworten finden.

Diese Antworten fallen nicht nur von Mensch zu Mensch unterschiedlich aus, sie sehen auch bei ein und demselben Menschen je nach Lebensphase anders aus. Es reicht also nicht, diese Fragen einmal zu stellen und zu beantworten, um sie dann für den Rest des Lebens zu vergessen. Sinnvoller ist es, sie sich immer wieder neu zu stellen, nicht gerade täglich, aber doch in regelmäßigen Abständen.

Dabei werden wir feststellen, dass es in unserem Leben eine Evolution, eine Entwicklung von Identität und Sinn gibt. Manches, was wir einmal für den Kern unserer Identität hielten, ist mittlerweile an den Rand gerückt, wohingegen im Laufe der Zeit neue Elemente zu wichtigen Bestandteilen der eigenen Identität geworden sind. Und den Sinn des Lebens sieht man in den Jahren von Karriere und Familie logischerweise anders als in reiferen Jahren.

So am eigenen Beispiel dem Walten der Evolution zuzu-schauen, kann ausgesprochen vergnüglich sein. Und es schärft den Blick dafür, dass es auch im größeren Zeitmaß-stab eine Evolution von Identität und Sinn gibt. Die Fragen und Antworten dazu sind ja nicht nur unsere persönliche Angelegenheit, sie sind auch Teil unserer Kultur. Das heißt, wir geben Antworten auf die Fragen nach Identität und Sinn auch gemeinsam, kollektiv, als wesentliches Element kultureller Muster.

Diese Muster verändern sich ebenfalls in einem Prozess der Evolution. Und diese kulturelle Evolution ist für uns Menschen längst bedeutsamer geworden als die biologische. Genetisch gesehen sind wir Menschen seit mindestens 200’000 Jahren dieselben. Kulturell dagegen gab es in den letzten 50’000 Jahren einen enormen evolutionären Schub, mit zunehmenden Beschleunigungstendenzen. Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen.

Das gilt uneingeschränkt auch für die Evolution von Identität und Sinn. Beides hat sich im Laufe der Mensch-heitsgeschichte verändert und wird das weiterhin tun. Wobei wir derzeit in einer besonderen Übergangsphase stecken. Zurück blickend stellen wir fest, dass sich viele Selbstverständlichkeiten aufgelöst haben. Wo früher Identität und Sinn ganz automatisch und festgestanzt dem kulturellen Fundus entnommen werden konnten, liefern heute weder Fürst noch Papst verbindliche Konstrukte.

Wenn man also nicht alles selber macht, ergibt sich heute weder Identität noch Sinn. Und das ist neu in der kulturellen Evolution. Was früher starre Normierungen waren, kann und muss heute von jedem Individuum nach dem Prinzip von Do it yourself aus einer riesigen Auswahl an Bauelementen selber zusammen gebastelt werden.

Da hilft nur eine sehr bewusste Auswahl. Die wiederum ist nur möglich, wenn wir mit dem einzigen Instrument, das wir dafür haben, unserem Geist, sehr pfleglich umgehen. Und das heißt zunächst immer, die richtigen Fragen zu stellen, jene also, die nicht zum vornherein festlegen, sondern Raum lassen für überraschende Antworten ebenso wie für neue, weiter führende Fragen.

Eine solche ist jene nach den Ressourcen für Identität und Sinn. Wo finden wir Menschen- und Weltbilder, die zu uns passen, uns helfen, Identität und Sinn zu finden? Welche Quellen gibt es dafür? In welchen Sphären finden sich diese Quellen? Welche Selbst- und Weltbilder hat die kulturelle Evolution über die Zeit hervorgebracht? Welches könnten die nächsten Schritte der Evolution von Identität und Sinn sein?

Die letzte Frage ist keineswegs von bloß akademischem Interesse. Wenn wir als Einzelne in diesen Fragen weitgehend auf uns selbst geworfen sind, kann es uns nicht gleich-gültig sein, wohin die Reise geht. Indem wir einen Blick voraus auf die Evolution von Identität und Sinn werfen, sehen wir unsere eigene, persönliche Evolution voraus. Und das verspricht spannend zu werden.

So schwierig ist dieser Blick voraus übrigens nicht, wie er scheint. Die Evolution verläuft ja nicht in klar abgetrennten Schritten. Vielmehr gibt es verschiedene Entwicklungs-stränge parallel. Als die Erde noch ganz den Sauriern gehörte, gab es bereits die ersten, wenn auch noch winzigen Säugetiere. Damals hätte vermutlich niemand darauf gewettet, dass aus diesen bescheidenen Anfängen einmal die dominante Lebensform würde, vor allem in Form dieser seltsamen zweibeinigen Geschöpfe mit der Fähigkeit zu fragen — und sich die Zukunft vorstellen zu können.

Immerhin, man hätte schon spekulieren können. Und so ist es auch mit der Evolution von Identität und Sinn. Die nächsten Stränge dieser Evolution sind schon da. Wir können sie beobachten und uns unsere Gedanken darüber machen, was aus ihnen werden könnte. Und genau das haben wir hier vor.

Machen wir uns also auf die Socken auf der Suche nach jenen Sphären, in denen wir Quellen für Identität und Sinn vermuten können. Wobei Sie jetzt nicht an irgendwelche abstrakten und abgehobenen Sphären denken müssen. Wir könnten auch von Feldern sprechen. Von Spielfeldern gar.

Kommen wir also ganz auf die Erde zurück und begeben uns auf ein solches Spielfeld, genauer gesagt auf ein Fußballfeld. Falls Sie mit Fußball gar nichts am Hut haben: Macht nichts, das Bild werden Sie auch so verstehen. Und schließlich kann der arme Fußball ja nichts dafür, dass Sie ihn nicht mögen, vor allem nicht der Fußball im ganz konkreten Sinne einer Leder- oder Kunststoff-Kugel.

Und um den geht es zunächst. Konkreter: um seine Identität, um sein Selbstbild. Ich gebe ja zu, es klingt ziem-lich verrückt, sich Gedanken über die Identität eines Balls zu machen. Doch der in Vielem als Vorbild taugliche Albert Einstein hat vorgemacht, wohin Gedankenexperimente führen können: zu bahnbrechenden neuen Erkenntnissen.

Warum also nicht auch in unserem Fall mit dem Ball ein solches Gedankenspiel wagen? Zumal dann, wenn eine weit verbreitete Form von Identität sprachliche Bände spricht. Sich als bloßer Spielball zu fühlen, als Spielball höherer, ebenso wenig durchschaubarer wie beeinflussbarer Mächte wie zum Beispiel der Globalisierung, ist ein grassierendes Lebensgefühl. Wenn wir das Gefühl haben, nur Spielball zu sein, können wir uns sehr wohl vorstellen, wie es sich anfühlt, ein Fußball zu sein, der ständig nur getreten und gekickt wird, und wenn er Pech hat, mit voller Wucht an die Torumrandung knallt. Das tut weh und schafft ein Gefühl absoluter Hilflosigkeit.

Solche Gefühle kennen wir wohl alle von Zeit zu Zeit. Deshalb können wir es wagen, eine weitere Ähnlichkeit unserer Identität mit jener des Fußballs ins Auge zu fassen. Es geht um das sogenannte hautverkapselte Ego.

Der Begriff stammt von einem klugen Denker, der ihn noch tief im 20. Jahrhundert geprägt hat, also lange bevor die Fragen nach Identität und Sinn jene Bedeutung und Dringlichkeit entwickelt haben, die wir am Beginn des 21. Jahrhunderts sehen. Was meinte dieser prophetische Begriff?

Es geht darum, dass unsere Identität immer auch eine räumliche Komponente hat. Die Frage "Wer bin ich?" meint also immer auch "Wo ist mein Ich?" Diese Frage nach dem Territorium unseres Ichs beantworten wir ganz automatisch mit dem Raum unseres Körpers: Ich ist, wo mein Körper ist. Und die Grenzen unseres Ichs sind klar und eindeutig die Grenzen unseres Körpers, die Grenzlinie wird also gebildet von unserer Haut: Was innerhalb meiner Haut ist, ist Ich, was außerhalb liegt, nicht.

Auch wenn wir manchmal aus unserer Haut fahren möchten, so ist uns doch beständig klar, dass diese Haut unser Ich gleichsam einkapselt. Wir können nicht hinaus, und nichts und niemand kann hinein. Wie jede Grenze erlaubt auch diese einen gewissen Austausch, aber sie ist und bleibt eine klare, unverrückbare Grenze.

Dieser Kern unserer Identität ist so selbstverständlich, dass wir ihn bewusst gar nicht zur Kenntnis nehmen. Nur manchmal spürt unsere Seele die Sehnsucht, ihre Grenzen über die eigene Haut hinaus auszudehnen, um sich dann wieder realistisch der Erkenntnis zu fügen, dass das nicht geht.

Doch der Drang nach Ausdehnung, nach Expansion, lässt unser Ich (und das bedeutet "Ego" zunächst ganz wertneutral) deswegen noch lange nicht los. Unser Ich hat die Tendenz zu expandieren, was nicht per se schlecht sein muss, im Gegenteil. Wie bei allem im Leben handelt es sich auch dabei um eine Frage des richtigen Maßes.

Erst wenn unser Ego sich zu sehr aufbläht, wird es zum Problem. Dem hautverkapselten Ego sind nun mal Grenzen gesetzt. Womit wir wieder beim Fußball wären, der schließlich auch von Tierhaut (oder mittlerweile Kunststoff) eingekapselte Luft ist. Wird diese zu sehr aufgebläht, platzt er. Umgekehrt bedeutet zu wenig Aufblähung einen schlappen, unspielbaren Ball. Das richtige Maß ist auch hier eine feine Linie.

Das hautverkapselte Ego als Spielball des Schicksals: Das ist natürlich nicht die einzige Möglichkeit menschlicher Identität, obwohl es vermutlich während der meisten Zeit menschlicher Geschichte für die meisten Menschen das vorherrschende Lebensgefühl war und ist. Die Evolution der menschlichen Identität begann mit dem Spielball-Gefühl. Ob dieses noch Raum für Sinnfragen ließ, wissen wir nicht, plausibel erscheint, dass die Menschen dafür viel zu beschäftigt damit waren, zu überleben und die höheren Mächte gnädig zu stimmen.

Allerdings hat jeder Spielball auch mal Ruhepausen, womit wir zu unserem armen getretenen Fußball zurück kehren. In einer solchen Pause könnte in unserem Gedankenspiel der Ball als Symbol für das hautverkapselte Ego die ihm inne wohnende Fähigkeit der Imagination nutzen und sich andere Formen der Identität vorstellen. Und weil er ein Fußball ist, bleibt er dabei zunächst auf dem grünen Rasen.

Natürlich wendet sich das Interesse des Fußballs erst einmal jenem zu, der ihn tritt - aber auch zum Fliegen bringt - also dem Spieler. Dank seiner Vorstellungskraft entdeckt der Ball dabei im Kopf des Spielers eine ganze Welt von Identitäten, in denen das Ich einen Bezug zur Welt herstellt und sich dabei findet:

"Mein Wille ist es, der den Ball dorthin treibt, wo er soll.": Ich will, also bin ich. "Meine Gedanken lesen das Spiel voraus.": Ich denke, also bin ich. "Ich rackere mich hier ab, aber es lohnt sich.": Ich schaffe, also bin ich. "Ich habe diesen genialen Paß in die Tiefe geschickt.": Ich bin kreativ, also bin ich. "Meine Entschlossenheit lässt den Gegner weichen.": Ich fühle, also bin ich. "Krach — das war mein Tor!": Ich habe Erfolg, also bin ich.

Interessant findet unser Spielball vor allem diese Empfindung des Spielers: "Ich spiele aus reinem Spaß an der Freud.": Ich spiele, also bin ich. Was darin gipfelt: "Ich fühle mich total im Spielfluss, alles gelingt wie ganz von selbst.": Ich bin im Fluss ("Flow"), also bin ich.

In welcher Form auch immer sich das Ich des Spielers seine Identität konstruiert, eines steht immer außer Zweifel: Dieses Ich empfindet sich als Individuum, als unteilbar, eigenständig und unverwechselbar. Auf dem Fußballfeld lassen sich individuelle Leistungen und Fehler schon in der Verteidigung und im Mittelfeld leicht feststellen, doch der individuelle Anteil am Erfolg wird nirgendwo so sichtbar wie im finalen Höhepunkt des Fußballspiels, also beim erfolgreichen Torschuss. Torschützenkönige sind auch im Mannschaftssport Fußball Einzelwesen.

Nichtsdestotrotz hat die Imagination unseres Fußballs auf der Suche nach anderen Identitätsformen bereits in den Köpfen der Einzelspieler immer wieder auch die sehr stark ausgeprägte Überzeugung gefunden: "Ich bin Teil meiner Mannschaft." Teil einer Mannschaft zu sein, ist eine wichtige Form von Identität. Der Grund dafür ist einfach: Als soziales Wesen kann der Mensch nur gemeinsam mit anderen überleben.

Besonders hübsch zeigt sich das beim Fußball. Es ist mehr als eine Floskel, dass auch der beste Einzelspieler ohne Mannschaft gar nichts ist und erreichen kann. Entscheidend ist immer die Mannschaft. Und die ist keineswegs identisch mit der Summe ihrer Einzelteile, also ihrer Spieler. Die Mannschaft kann ohne weiteres weniger sein als die Summe der Spieler. Wie sich immer wieder zeigt, ergeben zusammengewürfelte Einzelstars keineswegs automatisch eine gute Mannschaft. Zu viele Stars schaden eher, es braucht auch die unauffälligen Rackerer. Und nicht zu unterschätzen ist der Faktor Zeit: Eine Mannschaft muss sich kennen lernen und gemeinsam einspielen, ehe sie wirklich zu einer solchen wird.

Umgekehrt kann eine Mannschaft mit eher bescheidenem Potenzial der Einzelspieler einem aus wesentlich besseren Spielern zusammengesetzten Gegner die Stirn bieten, wenn sie wirklich eine Mannschaft ist, und zwar sowohl von ihrer Zusammensetzung her, in der sich die Stärken der Einzelnen optimal ergänzen, als auch von einer Mentalität her, die gegenseitige Unterstützung ebenso einschließt wie beseelten Einsatz für das Ganze.

Bei solchen Mannschaften können wir ein hochgradig spannendes Phänomen beobachten: Die Mannschaft als Ganzes bekommt eine beseelte Existenz, wird zum eigenen Wesen, das ohne jeden Zweifel mehr ist als die bloße Addition der Einzelspieler. Und dieses Wesen Mannschaft gibt im Idealfall den einzelnen Spielern so viel Kraft, dass diese über sich hinaus wachsen können. Das Wesen Mannschaft hat dann eine so starke eigene Identität, dass etwas davon in die Identität der Einzelspieler einfließt, und zwar weit über das jeweilige Spiel hinaus.

Dasselbe Phänomen gibt es natürlich nicht nur bei Fußballmannschaften, sondern auch in Arbeitsteams, in Zweierbeziehungen, Familien oder Freundeskreisen zu beobachten: Überall, wo Menschen persönliche Beziehungen entwickeln, entsteht dabei ein eigenständiges Wesen mit einer eigenen Identität, und wie jedes Lebewesen entwickelt sich auch dieses im Laufe der Zeit, reift — und stirbt eines Tages. Vorher jedoch entwickelt dieses Wesen namens Beziehung ein Eigenleben, das auf die an der Beziehung beteiligten Einzelwesen ausstrahlt, ohne dass diese es immer bemerken müssen. Was nichts daran ändert, dass wir als Einzelne wesentliche Teile unserer Identität bilden, indem wir uns an die Identität jener Beziehungs-Wesen anschließen, sie gleichsam anzapfen, deren Teil wir immer auch sind.

An dieser Stelle hat unser Ball also bereits drei Sphären von Identität entdeckt, nämlich seine eigene des hautver-kapselten Egos und Spielballs, jene des Einzelspielers und jene der Mannschaft, und er hat gelernt, dass alle drei Sphären neben- und miteinaner existieren, dass wir unsere Identität immer zugleich in allen finden.

Damit ist jedoch die Neugier unseres Fußballs noch nicht gestillt. Auf der Suche nach weiteren Sphären der Identität verlässt er jetzt das Spielfeld, und versetzt sich in den Kopf eines Zuschauers, die natürlich genau so gut eine Zuschauerin sein kann. Dabei entdeckt er zunächst etwas, was kaum zufällig ganz ähnlich klingt wie Identität: Identifikation. Viele, um nicht zu vermuten die meisten, Zuschauer identifizieren sich mit "ihrer" Mannschaft. Sie jubeln, wenn diese ein Tor schießt und gewinnt, und sind traurig, wenn es schief läuft.

Das hat zunächst etwas Befremdliches: Wieso lassen sich ansonsten vernünftige Menschen zu Gefühlsstürmen hinreißen, bloß weil elf Kerle, mit denen sie weder verwandt noch verschwägert sind, etwas besser oder schlechter kicken? Was hat das Geschehen auf dem grünen Rasen mit ihnen zu tun? Objektiv betrachtet natürlich gar nichts. Erst der Prozess der Identifikation erklärt den Casus: Indem wir uns mit etwas außerhalb unseres hautverkapselten Egos identifizieren, integrieren wir dieses etwas in unsere eigene Identität. Es wird dann Teil derselben, und deshalb geht es uns sehr wohl etwas an.

Für die meisten Zuschauer eines Fußballspiels ist dieses Spiel mit der Identifikation bis zum nächsten Match vorbei, einige eingefleischte Fans aber machen ihren Club zum lebenslangen zentralen Element ihrer Identität. Das klingt erstaunlicher, als es ist, denn wir identifizieren uns dauernd auf Dauer mit allem möglichen: mit unseren Eltern, Kindern und Partnern, mit Berufsrollen und Sozialprestige, mit Besitztümern und Konsumartikeln. Und auch mit unserer Stadt oder unserem Land, mit einer bestimmten Kultur oder einem gesellschaftlichen Milieu. Anders als bei der Identifikation mit der Mannschaft spielen persönliche menschliche Beziehungen bei all diesen Identifikationen kaum eine Rolle. Objektiv gesehen gehen die Objekte der Identifikation das Subjekt längst nicht immer etwas an, aber wir sind offenbar so darauf programmiert, unsere Identität mit Identifikationen zu erweitern, dass wir uns dafür sogar so ausgefallene Objekte wie Fußballmannschaften suchen.

Nun geschieht es allerdings manchmal, dass ein Fußballfan, für den im Normalfall immer klar ist, welches seine Mannschaft ist, vor einem Spiel sitzt, bei dem beide Mannschaften in ihm keinerlei Emotionen wecken, weder Sympathie noch das Gegenteil. Er ist völlig neutral, es gibt keine Identifikation. In solchen Momenten kann es geschehen, dass unser Zuschauer einen neuen Aspekt seiner Identität entdeckt: jenen des Beobachters.

Ist der Zwang, alles durch den Filter des Wertens zu betrachten (nützt es meiner Mannschaft oder nicht?), erst einmal weg, eröffnen sich ganz neue Welten. Unser Zuschauer hat jetzt eine Auge für die Stärken und Schwä-chen beider Mannschaften, er kann sich an schönen Spielzü-gen auf beiden Seiten freuen, er entwickelt ein Gespür für die ebenso subtilen wie wirksamen Gefühlsschwankungen im Wesen dieser beiden Mannschaften. Weil keine Identifi-kationsprozesse mitspielen, wird die ursprüngliche Distanz wieder hergestellt, die eigene Identität wird nicht mehr mit äußeren Identifikationsobjekten gefüttert, sondern reduziert auf eine ursprüngliche Erfahrung: Ich beobachte, also bin ich.

Diese gleichsam losgelöst von jeder Identifikation über allem schwebende Identität des Beobachters wird etwa von der Psychologie des Buddhismus als der höchste und erstre-benswerteste Geisteszustand gepriesen. Über diese Wertung lässt sich gewiss trefflich streiten, wobei feststehen dürfte, dass wir im Alltag mit dieser Geisteshaltung nicht sehr weit kämen. Sie ist auf begnadete Momente beschränkt, dann aber sicher ein gewichtiger Beitrag zu unserer Identität. Auch wenn unser Fußballfan das nächste Mal sich wieder voll mit seiner Mannschaft identifizieren wird, so hat er doch erfahren, dass von Zeit zu Zeit die Rolle des reinen Beobachters sehr erfrischend und bereichernd sein kann.

Ob sich identifizierender Fan oder reiner Beobachter: Unserem Fußball auf der Suche nach Identitäts-Sphären schwant, dass der einzelne Zuschauer auf seiner Entdeckungsreise noch nicht die letzte Station sein kann. In der Tat findet er rasch die nächste Sphäre: Das Zuschauerrund, das Kollektiv. Warum füllen denn die Zuschauer die Fußballstadien noch immer, obwohl es zu Hause vor der Glotze nicht nur bequemer wäre, sondern auch informativer? Weil sie an einem kollektiven Erlebnis teilhaben wollen.

Solche kollektiven Phänomene lassen sich in jedem Stadion beobachten, spätestens seit der Erfindung der Welle. Hören konnte man sie schon immer. Torjubel, aber auch Gestöhne und Geraune des Publikums sind exakt synchronsisierte Klänge, die absolut gleichzeitig aus Tausenden von Kehlen strömen, obwohl es keinen Dirigenten gibt. In solchen Momenten ist der einzelne Zuschauer ganz und gar Teil eines Kollektivs, von diesem so ohne jeden ersichtlichen Grund gesteuert wie ein einzelner Fisch in seinem großen Schwarm, dem ja schließlich auch niemand sagt, wo er schwimmen soll, und der dies dennoch am exakt richtigen Ort tut.

Solche Massenphänomene können Ängste wecken, denn wie jedes Fußballstadion zeigt, haben sie einen ambivalenten Charakter: Eine fröhliche kollektive Stimmung kann leicht in destruktive Bereiche kippen. Verlassen wir allerdings das Stadion, kommen wir nicht umhin festzustellen, dass ein Teil unserer Identität immer auch auf der Zugehörigkeit zu Kollektiven beruht, die im Gegensatz zum Prinzip der Mannschaft nicht auf persönlichen Beziehungen aufbauen. Wir kennen die allermeisten Angehörigen unserer Kollektive nicht, und fühlen uns ihnen doch mehr oder weniger verbunden.

Solche Kollektive können die Wohngemeinde sein oder die Region oder das Land, immer stärker auch ein ganzer Kontinent wie Europa. Es kann die eigene Firma sein oder eine Partei oder Glaubensgemeinschaft, oder auch nur die Anhängerschaft einer bestimmten Marke. Vermutlich ist das Territorium innerhalb unserer Identität, das von solchen Kollektiven besetzt ist, in den letzten Jahrzehnten insgesamt geschrumpft, aber ganz ohne Bindungen an Kollektive kommen auch die autonomsten Lebensgestalterinnen und Lebensgestalter nicht aus. Zumal solche Kollektive auf eine noch wenig reflektierte Weise sehr wohl wichtige Beiträge zu unserer Identität liefern können, auch positive. Ganz in einer fröhlichen Welle aufzugehen, kann auch den griesgrämigsten Zuschauer für glückliche Momente aufbauen.

Das Spiel ist mittlerweile aus, und so erhält der Fußball unseres Gedankenspiels die Gelegenheit, das Stadion zu verlassen und außerhalb davon nach weiteren Sphären menschlicher Identität zu suchen. Was er dort entdeckt, ist, zunächst überwältigend, nichts anderes als die Welt.

Er sieht die Stadt, in der das Stadion liegt, ein Gewirr aus Häusern und Straßen und Plätzen, er entdeckt komplexe Verkehrssysteme und Versorgungsstrukturen. Er sieht die vielen Menschen und die Gemeinschaften, die sie bilden, er hört die Laute ihrer Lust und Klage ob ihrer kleinen und großen Freuden und Nöte. Es erschließen sich ihm die Wunder der Natur und des Lebens. Er lernt die Wunder-werke menschlicher Kultur kennen und die Übel, zu denen Menschen auch fähig sind. Mehr und mehr erschließt sich ihm die Welt.

Und er lernt, dass menschliche Identität auch darauf beruht, wie wir mit der Welt umgehen. Vier Arten unseres Verhältnisses zur Welt lassen sich unterscheiden, die alle auch zugleich in unserer Identität Platz haben.

Als erstes können wir die Welt ganz einfach konsumieren, ihre Güter und Vergnügungen. Das ist zunächst nötig und auch später keineswegs ehrenrührig. Problematisch wird es für unsere Identität erst, wenn sich unser Verhältnis zur Welt auf reinen Konsum beschränkt. Irgendwo ahnen wir dann nämlich dumpf, die Welt sei nicht nur dazu da, uns zu füttern.

Ein zweiter Ansatz besteht darin, die Welt verstehen zu wollen, indem wir ständig unser Wissen über sie erweitern. Diese Neugier gehört offensichtlich zur menschlichen Grundausstattung, und sie hat uns weit gebracht. Allerdings hat unser Wissen und unser Verständnis von der Welt immer natürliche Grenzen. Diese können wir hinaus schieben und für uns erweitern, aber sie überschreiten zu wollen, wäre töricht.

Beim dritten Ansatz geht es darum, sich mit der Welt auszutauschen. Das tun wir, indem wir miteinander reden, Erfahrungen und Ideen austauschen, von der Welt lernen und unseren pfleglichen Beitrag zu einer gedeihlichen Welt leisten. Auch das trägt zu einer gesunden Identität bei, solange wir unseren Beitrag zur Welt nicht in einem Akt grandiosen Größenwahns gewaltig überschätzen.

Ähnliches gilt auch für den vierten Ansatz, in dem wir die Welt gestalten wollen. Jedes Leben versucht, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Welt nach seinen Vorstellungen zu gestalten, warum also sollten wir das nicht auch tun? Limiten setzen hier nicht nur die immer vorhandenen Grenzen unserer Gestaltungsspielräume, sondern auch die Rücksicht auf andere und anderes, welchen wir mit unserem Gestaltungswillen möglicherweise Schaden zufügen.

Ob wir die Welt konsumieren oder verstehen wollen, ob wir uns mit ihr austauschen oder sie gestalten: Immer ist unser Verhältnis zur Welt in ihrer ganzen Fülle und Vielfalt Teil unserer Identität. Unser Ich mag hautverkapselt sein, doch das hindert uns nicht daran, durch die reichlich vor-handenen Kanäle unserer Wahrnehmung, unseres Denkens, Fühlens und Handelns mit der Welt um uns herum in Kontakt zu treten. Und so unsere Identität Schritt für Schritt zu erweitern.

Erschöpft von seiner Reise in die Welt ruht sich unser Fußball auf dem Rasen unter freiem Himmel im leeren Stadion aus. Es ist Nacht geworden, die Sterne funkeln. Unser Ball sinniert über Dinge, die er gehört hat. In der Welt des unendlich Kleinen sollen nicht mehr punktförmige Gebilde die kleinesten Bausteine der Materie bilden, sondern geheimnisvolle Strings, Fäden, die Klaviersaiten gleich die Welt in all ihren Ausformungen zum Klingen bringen. Und von Multiversen, in denen unser ganzes unbegreiflich großes und altes Universum nur eines von unendlich vielen Paralleluniversen ist, unter denen sich auf jeden Fall eines finden ließe, in dem das heutige Spiel anders ausgegangen ist.

Unserem Fußball wird ob solchen Gedanken schwindlig, und er erkennt, dass unser Geist all das, dieses ganze unendlich komplexe und rätselhafte All, nie ganz wird fassen können. Doch der Geist ist dazu fähig, die Existenz dieses Alls zu ahnen. Für einen Moment dachte unser Fußball daran, wie wohl sein Gott aussehen würde, doch dann erkannte er, dass der immer nur eine Art ins Unendliche aufgeblasener Fußball sein könnte, was, soviel hatte er mittlerweile gelernt, unmöglich die ganze Wahrheit über das All sein konnte.

Er ließ also das Grübeln über jenes höhere Wesen, das wir verehren, und das manche Gott nennen, ahnte aber auch, dass es zu seiner Identität gehörte, als winziges Staubkorn einem unvorstellbaren All anzugehören. Er hatte zum Schluss seiner Endteckungsreise in die Sphären der Identität eine Sphäre entdeckt, die er nicht geringer achten wollte als die anderen, auch wenn, der Natur der Sache gemäß, Worte zu deren Beschreibung nur beschränkt nützlich sein konnten.

Damit können wir unseren Fußball getrost seinem Schlummer überlassen und unser Gedankenspiel verlassen. Es hat uns zu sieben Sphären geführt, in denen potenzielle Quellen für unsere Identität fließen: Der Spielball. Der Spieler. Die Mannschaft. Der Zuschauer. Das Zuschauer-rund. Die Welt. Das All.

Unsere Evolution, die immer eine Mischung aus biologischer und kultureller Evolution bildet, hat diese sieben Identitäts-Sphären mit- und nebeneinander hervor-gebracht. Es gibt keine festgelegte Reihenfolge, in der sich unsere Identität entwickeln würde, wir können jederzeit jede der sieben Sphären zugleich nutzen. Genau diese Wahlfreiheit führt aber zu einem Grundproblem unserer Identität — und damit auch zu einer Grundfrage in Sachen Sinn.

Bei unserem Streifzug mit dem Fußball hatten wir immer die Evolution von Identität im Sinn. Die Frage nach der Evolution von Sinn haben wir dabei diskret beiseite gelassen. Das hatte seinen guten Grund: Solange wir nämlich jeweils ganz in eine der sieben Identitäts-Sphären eingetaucht sind, stellt sich die Frage nach dem Sinn gar nicht. Es braucht sie nicht, weil die Antwort immer schon da ist. Solange wir ganz und gar in einer einzelnen Sphäre aufgehen, ist Sinn einfach da.

Machen Sie ruhig die Probe aufs Exempel und stellen Sie sich Situationen vor, in denen Sie in den einzelnen Sphären ungeteilte Identität finden. Als Spielball könnten Sie sich beispielsweise ganz und gar getragen von höheren Mächten fühlen, die Sie zum Fliegen bringen — es gibt solche begnadeten Momente. Darin wird Sinn weder vermisst noch wahrgenommen, doch wenn jemand Sie fragen würde, ob Sie in diesem Moment die Empfindung von Sinn haben, würden Sie das ohne zu zögern bejahen.

Es klingt paradox, entspricht aber der Lebenserfahrung: In jenen Momenten, in denen die Frage nach Sinn völlig abwesend ist, ist Sinn am selbstverständlichsten da. Solche Momente können beinhalten, dass wir ganz und gar in einer Gemeinschaft aufgehen, oder das Spiel gestalten oder die Welt einfach genießen, dass wir uns mitten im Fluss einer kreativen Tätigkeit finden oder das Gefühl haben, mit dem All zu verschmelzen. Gemeinsam ist ihnen allen, dass unsere Identität dabei voll auf eine Quelle konzentriert ist, dass sie in diesem Moment ungeteilt in einer Sphäre verweilt.

Nun gibt es Schulen der Lebenskunst, die es sich zum Ziel machen, ständig im Zustand solcher ungeteilter Identität zu verweilen, und zwar einfach, indem man ständig von einer zur anderen Sphäre wechselt, um in der nächsten jeweils sofort wieder voll und ganz aufzugehen.

Das klingt nach einem anspruchsvollen und für uns Normalsterbliche kaum zu erreichenden Ziel. Wir kennen zwar alle solche Momente, wissen aber auch, dass sie eher selten und schwierig zu erreichen sind, weil unser Leben eben oft geteilte Aufmerksamkeit verlangt. Deshalb sind wir selten ganz in einer bestimmten Sphäre, verteilen unsere Aufmerksamkeit, haben Mühe damit, beim Wechsel von einer zur anderen sofort völlig lozulassen und uns auf die nächste einzulassen. So können wir zwar versuchen, öfter ganz und gar in einer Sphäre zu sein, doch werden wir uns damit arrangieren müssen, dass zu unserer Identität auch dieses Element von Verzettelung und Zersplitterung gehört, das uns überhaupt erst dazu bringt, die Frage nach dem Sinn zu stellen.

Unser bewusstes, manchmal fröhlich-neugieriges, manchmal verzweifeltes Fragen und Suchen nach Sinn ist nämlich das Ergebnis der Fragmentierung unserer Identität. Solange unsere Identität ungebrochen ist, sich ganz und gar aus einer Sphäre nährend, ist Sinn einfach da. Erst wenn Bruchstellen entstehen, ist Sinn nicht mehr selbstver-ständlich, muss aktiv gesucht, oder eben besser, konstruiert, werden.

Zum Glück steht uns dafür in Form unseres Geistes ein wunderbares Instrument zur Verfügung. Mit seiner Hilfe können wir nicht nur vertieft erkunden, welche Quellen an Identität und damit Sinn jede einzelne Sphäre bereit hält (das werden wir in den nächsten sieben Kapiteln tun). Wir können darüber hinaus auch lernen, in den Übergängen und Brüchen zwischen den einzelnen Sphären Quellen für Identität und Sinn zu entdecken, ja vielleicht so etwas wie einen Sinn-Kern gerade in der Tatsache, dass unsere Identität fragmentiert ist (das wird Thema des letzten Kapitels sein).

Es gibt in der deutschen Sprache die Volksweisheit, es sei unmöglich, gleichzeitig auf verschiedenen Hochzeiten zu tanzen. Das weist darauf hin, dass sich immerhin mal jemand die Frage gestellt hat, ob das möglich sei. In anderen Sprach-kulturen hat sich offenbar nie jemand diese Frage gestellt, es gibt dort kein vergleichbares Bild.

Die Frage, ob es möglich sei, gleichzeitig auf verschiedenen Hochzeiten zu tanzen, stellt sich natürlich nur jemand, der das für wünschbar hält. Im Falle unserer Iden-tität ist das der Fall. Gelänge es uns, die verschiedenen Sphären unserer Identität spielerisch tanzend zu verbinden, so hätten wir weder Probleme mit unserer Identität noch mit dem Sinn. Unmöglich, das sagt meine Lebenserfahrung, ist es nicht.

Eines hat unser Streifzug, den wir gemeinsam mit unserem Fußball durch die verschiedenen Identitäts-Sphären unternommen haben, mit aller wünschbaren Klarheit gezeigt: Wir sind sehr viel mehr, als es unser hautverkapseltes Ego zunächst auch nur ahnt. Wir können unsere Identität in ganz unterschiedliche Richtungen erweitern. Und jedesmal gewinnt dabei nicht nur unsere Identität, sondern auch unser Lebens-Sinn.

Sollten wir uns in Situationen wieder finden, in denen es an Identität und/oder Sinn gebricht, hilft deshalb in Zukunft oft schon die Erinnerung an das einfache Mantra, das diesem Buch seinen Titel gegeben hat: Wir sind mehr.


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