Von der Zielgruppe
zur Resonanzgruppe
Plädoyer
für eine Neuorientierung des Marketings
Zu den am wenigsten
hinterfragten Dogmen des Marketings gehört die Geschichte mit
der Zielgruppe. Kratzt man jedoch am Lack dieser Legende, zerbröselt
sie zu Staub. Daraus taucht ein alternativer Denkansatz auf: die Resonanzgruppe.
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Wenn
Sie mehr wollen als die Diagnose: So
geht die Therapie. |
Wer wissen will, was es
mit der Zielgruppe auf sich hat, braucht nur auf den Klang rund um
dieses Wort zu hören. Da sollen Märkte erobert und
penetriert werden. Marktanteile gilt es zu gewinnen,
indem man den Konkurrenten verdrängt. Kunden werden mit
Werbebotschaften so lange bombardiert, bis sie sich anbinden
lassen. Da liegt es nahe, was das Marketing mit der Zielgruppe vor
hat: Auf sie wird scharf geschossen.
Das spricht sich bei den
Konsumentinnen und Konsumenten allmählich herum - und verdrießt
dieselbigen. Wer lässt schließlich schon gerne auf sich
schießen? Das wäre eigentlich schon genug Begründung,
von der unseligen Idee abzulassen. Doch es gibt noch eine weitere:
Dem Marketing kommen die Ziele abhanden. Weil sie unsichtbar werden.
Der Idee der Zielgruppe
liegt die veraltete Vorstellung einer Kriegsführung vor, in der
die Armeen Uniformen trugen, damit die andere Seite wusste, auf wen
sie zu schießen hat. Doch so, wie heutige Angreifer keine Uniformen
mehr tragen, gilt dies auch für heutige Konsumenten: Man kann
vom Äußeren nicht mehr aufs Innere schließen.
Das war tatsächlich
auch schon mal anders. Es gab Zeiten, da genügten ein paar äußere
Merkmale wie Geschlecht, Alter, Bildung, Einkommen, Berufsgattung
oder Wohnort, um ziemlich genau vorhersagen zu können, was die
jeweilige Gruppe brauchte und wollte: Reiche kauften teuer, Arme billig.
Heute kaufen auch Reiche
billig - der Aldi-Champagner lässt grüßen. Und umgekehrt
kaufen auch weniger Begüterte etwas Teures, wenn es ihnen wirklich
wichtig ist. Dasselbe gilt für die anderen äußerlich
sichtbaren Merkmale ebenso: Von ihnen lässt sich nicht mehr auf
Wünsche, Erwartungen und Bedürfnisse beim Konsum schließen.
Wenn Sie Baby-Windeln oder
Damen-Binden verkaufen, mögen sie einwenden, es gäbe durchaus
noch durch äußerliche Eigenschaften zu charakterisierende
Zielgruppen und Märkte. Stattgegeben. Doch auch da stellt sich
die umgekehrte Frage: Warum soll jemand ausgerechnet Ihre Marke kaufen?
Das ist, mit Verlaub, die
entscheidende Frage im Marketing. Sie lässt sich immer weniger
beantworten, indem man bestimmte Eigenschaften einer Zielgruppe definiert.
Jedenfalls keine nach außen sichtbaren. Doch genau das ist die
elementare Voraussetzung jeder Zielgruppenbildung: Wie soll man seine
Zielgruppe erreichen, wenn man von außen nicht sieht, wer zu
ihr gehört und wer nicht?
Nachdem wir der Idee der
Zielgruppe beim Zerbröseln zugesehen haben, können wir uns
jetzt um Alternativen kümmern. Dabei ist eines offensichtlich:
Es geht um eine Verlagerung von der Welt des Sichtbaren in die inneren
Welten. Von Quantität zu Qualität.
Aus der Markenpflege ist
längst bekannt, dass eine Marke nur dann erfolgreich ist, wenn
sie zusätzlich zu ihren äußeren Vorteilen aufgeladen
ist mit etwas Unsichtbarem. Mit Werten. Mit Geschichten. Mit Spirit.
Je mehr sich die Angebote äußerlich gleichen, desto stärker
wird diese unsichtbare geistige Ebene entscheidend für die Wahl
der Konsumenten. Entsprechend entwickeln diese immer feinere Antennen
für solche Signale und Botschaften.
"Antenne" und
"Signale" sind Begriffe aus der Kommunikation, wo es darum
geht, eine Botschaft vom Sender zum Empfänger zu bringen. Das
klappt nur, wenn der Empfänger auf dieselbe Wellenlänge
eingestellt ist wie der Sender. Dieses Einschwingen auf dieselbe Wellenlänge
kann der Sender nicht erzwingen. Er kann nur hoffen, dass es genügend
Empfänger gibt, die dies freiwillig tun, weil sie auf derselben
Wellenlänge schwingen wollen.
Resonanz:
Widerhall; Mitschwingen,
Mittönen. Der übertragene Gebrauch von "Resonanz"
im Sinne von "Anklang, Verständnis, Wirkung"
erfolgte im 17. Jahrhundert.
(Duden
Herkunfts-Wörterbuch)
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Das Schwingen auf gemeinsamer
Wellenlänge wird - technisch betrachtet - Resonanz genannt. Daraus
entsteht im übertragenen Sinne Anklang und Verständnis -
und damit Wirkung. Worum es im Marketing ja gehen sollte.
In diesem Denkmodell macht
es keinen Sinn, irgendeine Zielgruppe "ins Visier zu nehmen".
Wir können sogar die Adressaten für einen Moment vergessen
und uns ganz darauf konzentrieren, eine klare Botschaft zu formulieren
und einen starken Sender dafür zu finden. Was auch keine ganz
neue Idee ist: Kein Markterfolg ist je entstanden, indem man ein Angebot
auf Grund von durch Marktforschung geäußerten Kundenwünschen
gestaltet hat. Vielmehr steht am Anfang jedes Markterfolgs eine starke
eigene Idee und eine Begeisterung dafür, die ansteckend wirkt.
Ist beides vorhanden, so
ist die Chance groß, dass die klare Botschaft auf Resonanz stößt.
Dann gibt es da draußen im Markt genügend Menschen, die
auf derselben geistigen Wellenlänge schwingen wie die angebotene
Marke. Diese Resonanz muss noch nicht zwangsläufig einen Kauf
bewirken - aber sie schafft elementare Voraussetzungen dafür.
Je stärker die Resonanz,
desto größer ist übrigens nicht nur die Chance auf
einen Kauf oder eine längerfristige Kundenbeziehung, sondern
auch die verstärkende Wirkung in der Weiterverbreitung der Botschaft.
Es ist bekannt, dass bei solchen Schneeballeffekten die eigentlichen
Fans die entscheidende Rolle spielen, also jene, die auf die Frage,
wie stark sie sich mit der Marke verbunden fühlen, auf einer
Zehnerskala mindestens neun wählen. Fans, so könnten wir
jetzt sagen, sind jene Konsumenten, welche eine weitgehende Resonanz
mit den Schwingungen der Marke aufweisen.
Indem nun diese Fans die
Botschaft der Marke in ihrem sozialen Netzwerk verbreiten, schaffen
sie etwas, was eine klassische Zielgruppe nie schafft: Es entsteht
tatsächlich eine Resonanzgruppe. Wer zu einer klassischen
Zielgruppe wie etwa jüngere Männer in Kaufkraftklasse drei
gehört, fühlt sich deswegen dieser Zielgruppe noch lange
nicht angehörig. Wer jedoch feststellt, dass andere auf der gleichen
Wellenlänge schwingen, kann sich mit diesen Gleichgesinnten identifizieren,
woraus ein echtes Gruppengefühl entsteht.
Wenn eine Marke mit ihrer
Botschaft, die Resonanz erzeugt, dergestalt zur Bildung eines Gruppengefühls
beiträgt, liefert sie Ressourcen von höchstem Wert: Orientierung.
Identität. Sinn. Das trägt nicht nur zur Pflege einer intensiven
Kundenbeziehung bei. Es eröffnet auch die Chance, in einen echten
Dialog mit der Resonanzgruppe einzutreten. Bietet man ihnen Impulse,
Vernetzungsmöglichkeiten und einen Kanal, ihre Meinung einzubringen,
gewinnt man engagierte Gesprächspartner, deren Beiträge
wesentlich mehr Marktwissen liefern als jede klassische Marktforschung,
in der mäßig Interessierte höchstens laue und flaue
Antworten geben.
Die Bildung einer Gruppenidentität
kann zusätzlich gefördert werden, indem man ihr einen Namen
gibt, in dem sich die Resonanzgruppe findet. Die Bewusstseins-Elite
ist ein Beispiel dafür. Hier wird klar kommuniziert, für
wen die Botschaften und Angebote gedacht sind. Das erzeugt zusätzliche
Resonanz.
Seine Marktpartner als
Resonanzgruppe zu sehen statt als Zielgruppe, ist ein nicht ganz einfacher
Lernprozess, der zunächst gehöriges Entlernen erfordert
und dann das allmähliche Vertrautwerden mit neuen Denkmustern.
Wenn Sie diesen Weg in Angriff nehmen oder schon ein Stück weit
gegangen sind, gehören Sie zu einer neuen Resonanzgruppe, nämlich
zur Bewusstseins-Elite im Marketing. Herzlich willkommen!