Moses 2.0: Wie wir gemeinsam den Wandel vom Lebensstandard zur Lebensqualit?t schaffen

Bekenntnisse eines Generalisten für reifende Lebensqualit?t

1. Gesucht: eine Alternative zum goldenen Kalb

Man braucht nicht an die Bibel zu glauben, um darin so hübsch zur aktuellen Lage rund um die Finanzkrise passende Geschichte zu finden wie jene vom Tanz um das goldene Kalb:
Das Volk Israel befand sich auf dem Heimweg aus ?gypten, und es ging ihm nicht gut. Zu allem überfluss war auch noch der oberste Boss abwesend, angeblich auf einen Berg gestiegen, um mit seinem unsichtbaren Gott Zwiesprache zu halten. Da gelüstete es das Volk nach handfesteren G?ttern. Der Stellvertreter des Chefs lie? sich erweichen, sammelte alles verblieben Gold ein und machte daraus einen G?tzen, eben das goldene Kalb. Und um das herum tanzte das Volk jetzt ausgelassen: Endlich hatten sie eine greifbare Gottheit, bei der klar war, worum es ging: um den schn?den Mammon.
Das konnte sich der Boss namens Moses natürlich nicht gefallen lassen. Als er vom Berg herunter gestiegen war und den Schlamassel entdeckte, zürnte er heftig und schaffte es schlie?lich dank drohender Hinweise auf seinen gelegentlich ebenfalls furchtbar zürnenden Gott, sein Volk wieder auf den richtigen Weg zu führen.
Na ja, jedenfalls bei einem Teil des Volkes. Diesen wies er an, jene, die nicht vom goldenen Kalb lassen wollten, meuchlings umzubringen. Und das waren immerhin 5000 Mann, wie die Bibel zu berichten wei? (Moses 2, 32).
Diese ?L?sung“ würden heut zu Tage viele gegenüber den Verantwortlichen für die Finanzkrise (oder jenen, die sie dafür halten), am liebsten auch praktizieren. Br?chte aber nichts: Schlie?lich lebt der Tanz um das goldene Kalb trotz der damaligen brachialen Gegenma?nahmen munter weiter. Ja, er wurde wohl noch nie so heftig und intensiv getanzt wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten.
Dass aber jeder Tanz um das goldene Kalb irgendwann ein Ende haben muss, hat die Finanzkrise gezeigt. Und es brauchte nicht einmal einen Moses, um ihn von au?en zu stoppen. Vielmehr ist ein von immer ma?loserer Gier angetriebenes System von selbst kollabiert. Oder w?re es, wenn nicht der gute alte Staat eingegriffen h?tte.
Was natürlich prompt zu Diskussionen über das System des Kapitalismus an sich geführt hat. Altlinke Nostalgiker sehen schon ein neues Zeitalter des Sozialismus herauf d?mmern. Was natürlich Quatsch ist. Denn es geht nicht um die Alternative zwischen Staat und freier Marktwirtschaft, die ja schon immer eng miteinander verflochten waren. Sicher wird jetzt ein neues Gleichgewicht zwischen beiden zu finden sein. Aber das ?ndert nichts daran, dass ein entweder Marktwirtschaft oder Staatswirtschaft eine l?ngst überholte Fragestellung ist. Die Finanzkrise ist keine Krise des grunds?tzlichen Systems.
Tiefer schürft da schon die Kritik an unserer grunds?tzlichen Werte-Orientierung, die gemeinhin als Materialismus bezeichnet wird. Allerdings ist diese Bezeichnung nicht sehr glücklich, denn es geht dabei l?ngst nicht mehr um Materie im eigentlichen Sinn. Wenn damit gemeint ist, dass Konsum unser wichtigster Lebensinhalt ist, dann gilt es zu bedenken, dass wir l?ngst viel mehr für konsumierte Dienstleistungen ausgeben als für materielle Güter. Und wenn damit gemeint ist, dass Geld unser oberster Gott (oder besser G?tze) ist, dann sollten wir nicht vergessen, dass Geld l?ngst v?llig immateriell geworden ist und gr??tenteils nur noch in Form von Daten in irgendwelchen Computern existiert.
Materialismus hei?t also nicht mehr, m?glichst viele materielle Güter zusammenraffen zu wollen, sondern bedeutet, m?glichst viel Geld haben zu wollen, um m?glichst viel konsumieren zu k?nnen, egal ob Güter oder Dienstleistungen. Das geschieht nicht unbedingt als Selbstzweck, sondern um den eigenen Lebensstandard zu erh?hen. Und der bemisst sich nun mal daran, wie viel man konsumieren kann.
Messen ist ein gutes Stichwort: üblicherweise verwenden wir dazu einen Ma?stab, und der hat einen Anfang und ein Ende, das hei?t, irgendwann ist das Maximum erreicht. Nicht so beim Lebensstandard. Das ist ein nach oben offener Ma?stab. Kaum haben wir einen bestimmten Lebensstandard erreicht, k?nnen wir uns schon die n?chst h?here Stufe vorstellen und tun alles, um dahin zu kommen. Und ein Ende dieses Drangs ist nicht abzusehen, weil es grunds?tzlich keines gibt, denn wir haben immer Phantasie genug, uns einen noch h?heren Lebensstandard vorzustellen.
Genau daraus w?chst Gier, und wohin diese führt, haben wir gerade gesehen. Wobei es voreilig ist, mit der moralischen Keule nur auf jene einzudreschen, deren Gier medial am sichtbarsten wurde. Wie hei?t es so sch?n: Wenn Du mit dem Zeigefinger auf jemanden weist, weisen drei Finger auf Dich zurück. Niemand ist g?nzlich frei von Gier, vor allem dann nicht, wenn wir dieses h?ssliche Wort etwas hübscher umschreiben und es so formulieren, dass die meisten von uns es für ein durchaus erstrebenswertes Ziel halten, den eigenen Lebensstandard zu erh?hen, wann und wie immer es geht.
Und dagegen ist grunds?tzlich ja auch nichts einzuwenden. Es schafft nur einige gravierende Probleme. Wenn jeder Kleinsparer das Maximum aus seinen paar Kr?ten herauspressen will, setzt sich dieser Druck nach oben fort, wird dort von jenen, die im gro?en Stil absahnen k?nnen, massiv verst?rkt, woraus folgerichtig eine Blase entsteht, die eines Tages unweigerlich platzen muss. Was bekanntlich immer wieder geschehen ist.
Ebenfalls gravierend ist, dass wir mit unseren westlichen Vorstellungen eines angemessenen Lebensstandards Ma?st?be setzen, die fatal wirken, denn wenn die ganze Welt diesen Lebensstil pflegen würde, w?re unser Planet definitiv hoffnungslos überfordert.
Vielleicht die schlimmste Folge unseres Strebens nach einem stetig h?heren Lebensstandard ist die, dass dieses Streben das ihm innewohnende Versprechen nicht einhalten kann, n?mlich mehr Glück oder doch wenigstens mehr Zufriedenheit zu erzeugen. Immer mehr Studien beweisen, was viele von uns l?ngst wussten oder doch wenigstens ahnten: Ein h?herer Lebensstandard garantiert keineswegs mehr Zufriedenheit oder gar Glück. Sicher, ein bestimmter minimaler Standard muss gegeben sein, damit wir einigerma?en glücklich sein k?nnen, doch ab dann funktioniert der Zusammenhang nicht mehr.
Und doch glauben immer noch viele, auf der n?chst h?heren Stufe des Lebensstandards lauere vielleicht doch das Glück, und wenn nicht da, dann auf der übern?chsten. Und auch wenn das niemals funktionieren wird, halten sie daran fest, die Erh?hung des eigenen Lebensstandards sei das wichtigste Lebensziel. Oder noch klarer formuliert, Geld sei das, worum es im Leben wirklich ginge.
Woran das wohl liegen mag? Nun, bei aller berechtigten Kritik am Materialismus darf nicht übersehen werden, dass die prim?re Ausrichtung auf Lebensstandard lange Zeit hervorragend funktioniert hat. Sie hat nicht nur zu einer früher undenkbaren Verbesserung des tats?chlichen Lebensstandards geführt, sondern sie hat den Menschen auch das gegeben, was sie zu allen Zeiten dringend brauchen: Orientierung. Identit?t. Sinn.
So gesehen war der Tanz um das goldene Kalb sinnvoll. Nur funktioniert er leider immer weniger. Was immer mehr Menschen auch selber merken oder spüren. Dieses latente Unbehagen ist durch die Finanzkrise massiv verst?rkt worden, und es breitet sich das Gefühl aus, so k?nne es nicht weiter gehen. Nur wohin sonst?
Weit und breit ist kein Moses in Sicht, der uns das sagen k?nnte. Und selbst wenn, würde es nicht viel nützen, denn wir haben uns zum Glück l?ngst abgew?hnt, unbesehen jedem zu glauben, der vorgibt zu wissen, wo es lang geht. Wir wissen, dass wir Identit?t, Orientierung und Sinn nicht mehr in irgendwelchen Heilslehren finden, sondern nur in uns selbst. Was die Sache nicht einfacher macht. Denn jetzt müssen wir eine attraktive und überzeugende Alternative zum Materialismus ebenfalls in uns selbst finden.
Und das müssen wir wirklich. Die Geschichte hat gezeigt, dass wir Eigenschaften wie Gier weder durch moralische Appelle noch durch einen Systemwechsel loskriegen – in den kollektivistischen Systemen Kommunismus und Faschismus war die Gier mindestens so ausgepr?gt. Als konservative Wesen halten wir an Bew?hrtem fest, selbst wenn es eigentlich nicht mehr funktioniert – es sei denn, es würde uns eine wirklich überzeugende, sprich bessere Alternative geboten. Und so tanzen wir um das goldene Kalb, bis uns eine noch bessere Tanzfl?che zur Verfügung steht.
Das hei?t, bis wir eine bessere, sprich überzeugendere Antwort auf die Frage haben, worum es im Leben eigentlich geht, als Geld oder Lebensstandard. Diese Antwort ist nur ein Wort, aber eines mit Folgen: Lebensqualit?t.

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Wie mich das Thema Lebensqualit?t fand

Zeitlebens hat mir Lebensstandard wenig und Lebensqualit?t alles bedeutet – nur wusste ich das lange nicht.
Das hei?t, ersteres schon. Materieller Besitz, Statussymbole, Konsum waren mir tats?chlich nie wirklich wichtig. Warum dem so ist, wei? der Kuckuck, es muss sich wohl um eine Mischung aus Genetik, Erziehung, pr?gendem Zeitgeist und Umst?nden (fehlende reiche Erbtante...) handeln. Sicher ist es nicht mein Verdienst, so dass ich schon gar nicht in Versuchung komme, Tugend mit fehlender Gelegenheit zu verwechseln.
Natürlich habe ich verglichen mit der gro?en Mehrheit der Menschheit einen hohen Lebensstandard, und tats?chlich g?nne ich mir auch diesen oder jenen Luxus, doch gemessen daran, was ich – in Geld ausgedrückt – aus meinen Talenten und F?higkeit h?tte machen k?nnen, wenn ich anders gepolt gewesen w?re, nimmt sich mein Lebensstandard doch eher bescheiden aus.
Worüber ich mir kein einziges Tr?nchen abquetschen kann. Denn ich lebe seit vielen Jahren an einem Ort, der mir nicht nur wunderbare Aus-, Weit- und überblicke beschert, sondern auch Wurzeln, aus denen ich Kraft sch?pfen kann. Ich kann meine Zeit weitgehend selbst und frei einteilen, meinen eigenen Rhythmus leben. Ich besch?ftige mich vorwiegend mit Dingen, die mich interessieren und faszinieren. Ich erschlie?e mir die Welt mit Worten, Bildern und Zahlen und brauche mich nicht darum zu kümmern, dass jemand erkl?rt, das ginge aber nicht zusammen.
Es gibt Menschen, die mir etwas bedeuten, und denen ich etwas bedeute. Es gibt in meinem Leben Identit?t, Orientierung und Sinn – auch wenn ich immer noch dahin unterwegs bin. Ich habe einigerma?en den Sinn für Balance und das richtige Ma? gelernt. Und ich fühle mich k?rperlich, geistig und seelisch wohl.
Kurzum, meine Lebensqualit?t ist gut, ja sehr gut. Nur hat es lange gedauert, bis ich all diese positiven Lebenserfahrungen unter einen Hut gebracht habe und sie gleichsam mit einem gemeinsamen Dach benennen konnte – eben Lebensqualit?t.
Das Wort ist mir zwar früh begegnet, aber damals war damit noch die Qualit?t der Lebens-Umgebung gemeint, also etwa jene von Luft oder Wasser, und so konnte Lebensqualit?t auch von au?en verordnet werden, wenn man nur die richtige Partei w?hlte. Welch ein Irrtum!
Heute wei? ich natürlich, dass es nicht um die Qualit?t der Umgebung geht, sondern um die Qualit?t des eigenen Lebens, und dass dafür niemand anders die Verantwortung übernehmen kann als ich selbst. Doch lange Zeit war das Wort selbst aus meinem Denken verschwunden gewesen. Dann, ich war gerade an der zweiten Version einer ?Hitparade der hei?en Werte“, fiel es mir wie aus heiterem Himmel wieder zu.
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Diese Hitparade wurde übrigens nicht von mir bestimmt, sondern von einem Netz von Menschen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum, die an Themen wie Werte oder Bewusstsein interessiert sind und deshalb meine Fragen dazu beantworten. Und dieses Netz setzte Lebensqualit?t gleich auf Platz zwei der Hitparade. Was mir dann endgültig die Augen ?ffnete: Lebensqualit?t ist ein zentraler Leit-Wert, für andere, vor allem aber auch für mich selbst...