Ende
2008 wurde in der Schweiz der letzte gro?e Radio-Mittelwellensender endgültig
abgestellt. Auf uralten Radioger?ten ist sein Name noch zu lesen: Beromünster.
Als einzig neutrale Stimme weit und breit erreichte dieser Landessender
Beromünster im Zweiten Weltkrieg weit über die Grenzen der Schweiz hinaus
Beachtung und Bekanntheit. Ein riesiger Sendemast irgendwo in der Schweizer
Provinz wurde zum Symbol für eine
freie und unabh?ngige Information.
Diese
Zeiten waren zwar schon vorbei, als ich geboren wurde, doch auch meine Kindheit
und Jugend in den Fünfzigern und Sechzigern des letzten Jahrhunderts waren
gepr?gt vom Landessender Beromünster: Wenn man mittags um halb ein Uhr im
Sommer durch die Stra?en lief, konnte man aus allen ge?ffneten Fenstern
zun?chst das Zeitzeichen und dann die Mittagsnachrichten h?ren. Alle Gespr?che
hatten zu verstummen, damit man den quasi-offiziellen Verlautbarungen des
Landessenders ungest?rt lauschen konnte. Wobei der H?hepunkt schon damals aus den
Wetterprognosen zum Schluss der Nachrichten bestand.
Dann
kam das Fernsehen. In dem kleinen Dorf, in dem ich meine ersten Lebensjahre
verbrachte, gab es Anfangs nur einen Empf?nger in der Dorfkneipe, wohin das
Dorfvolk bei besonderen Sendungen in Scharen str?mte. Und auch sp?ter, als der
TV-Konsum sich in die Privatwohnungen verlagert hatte, gab es nur einen oder
zwei Sender zu empfangen, was dazu führte, dass es am Morgen nach besonderen
Sendungen, ob Quiz oder Krimi, nur ein Gespr?chsthema gab, n?mlich eben diese
Ausstrahlung.
Als
ich dann in den frühen Siebzigern Kommunikationswissenschaften studierte,
pr?gte diese Situation das Verst?ndnis von Kommunikation. Kommunikation war
gleichbedeutend mit Massenkommunikation. Das vorherrschende Modell bestand aus
einem Sender (der natürlich auch eine Zeitung sein kann), der via ein Medium
eine Botschaft an eine disperse Schar von Empf?ngern sandte. Dort konnte die
Botschaft allenfalls eine Wirkung ausl?sen, Rückkoppelung dagegen war nicht
vorgesehen. Das Modell war also reichlich hierarchisch: Von weit oben sendet
ein allm?chtiger Sender Botschaften an die Vielen da unten.
Die
endgültige Abschaltung des Sendemasts Beromünster bedeutet vor diesem
Hintergrund nicht nur den Abschied einer veralteten Technik zur übermittlung
von Radiosignalen (Mittelwelle). Sie ist auch Symbol für den Abschied vom
geschilderten hierarchischen Modell von Massenkommunikation.
Ausgestorben
ist dieses Modell allerdings noch keineswegs. Noch üben die etablierten Medien
als Schleusenw?rter für Informationen und Meme eine enorme Macht aus. Die
Sender beeinflussen zwar nicht unbedingt die Meinungen der Empf?nger, aber sie
entscheiden darüber, was überhaupt ein Thema wird. Eigentlich sind sie also
weniger Schleusenw?rter als vielmehr Türsteher vor angesagten Clubs, die mehr
oder weniger willkürlich darüber entscheiden, wer rein darf und wer nicht.
Rein
evolutionstheoretisch gesehen w?re das eine ideale Wettbewerbssituation, die
für gr??tm?gliche Vielfalt der in die Medien gelangenden Themen und Ideen
sorgt. Leider ist das Gegenteil zu beobachten. Journalisten und Medienleute
erweisen sich immer wieder als extrem konformistisch, als eigentliche
Herdentiere, die alle immer in dieselbe Richtung rasen. Geistig wirklich
unabh?ngige K?pfe oder gar Medien sind so rar wie Schnee im Sommer. Wer oder
was nicht in die g?ngigen oder gerade modischen Schubladen passt, hat keine
Chance, zum Medienthema zu werden.
Das
sind natürlich keine idealen Voraussetzungen für eine rasche und wirksame
Ausbreitung von Memen, die nicht in den vorgestanzten Themenraster passen.
Jedenfalls nicht für eine Ausbreitung via klassische Medien. Diese Tatsache
wiederum ?rgert unseren Zeitreisenden Moses. Er h?tte sich n?mlich liebend
gerne der klassischen Medien bedient. Schlie?lich kam ihm das alles bekannt
vor. Es war ja geplant gewesen, dass er als Sender seine Botschaft (die zehn
Gebote) via einem eindrucksvollen Medium (steinerne Gesetzestafeln) den
Empf?ngern, also dem Volk überbringen würde, und Bilder davon, wie das sein
Doppelg?nger dann wirklich gemacht hat, zeigen einen ?Moses“ weit oberhalb
seiner Empf?nger, so wie ein Sendemast immer weit über seinen Empf?ngern
thront.
Klassischer
Fall von Einweg-Massenkommunikation also. Das h?tte Moses auch heute noch am
liebsten, geht aber nicht mehr. Er sieht das schlie?lich ein, wenn auch erst
nach einem heftigen Disput mit dem Philosophen. Moses meint n?mlich, für ihn
müsse es doch ein Leichtes sein, in alle Medien zu kommen, wenn erst mal die
Geschichte seiner Zeitreise publik geworden sei. Und dann k?nne er seine
Botschaft verkünden und urbi et orbi, also der ganzen Menschheit, sagen: ?Hey
Leute, h?rt mit dem Tanz um das goldene Kalb auf. Es gibt eine bessere
Alternative, n?mlich Eure Lebensqualit?t. Kümmert Euch darum, und allen geht es
besser!?
Der
Philosoph muss ihm zun?chst Recht geben. Natürlich k?me Moses mit seiner Story
auf jedes Titelblatt und in jede Talkshow. Wobei er damit rechnen müsse, ins
Zentrum intensiver Konflikte zu rücken. Es würde n?mlich den so genannten
mosaischen Religionen ganz gewiss nicht gefallen, dass ausgerechnet ihr
vermeintlicher Gründer ihre ganze Gesch?ftsgrundlage in Frage stellen würde,
indem er behaupte, der eine und einzig wahre Gott, auf den sie sich alle
berufen, h?tte das mit der Exklusivit?t gar nicht so ernst gemeint – und
sei zudem l?ngst in den Ruhestand abgetaucht. Das g?be auf jeden Fall wüste
Turbulenzen.
Und
dann würde sein, also Moses, Auftauchen ein enormes Interesse an seiner Person
wecken. Alle würden ihn fragen, wie das mit der Zeitreise gewesen sei, worin
die gr??ten Unterschiede zwischen seiner damaligen und der heutigen Zeit
bestünden und wie er sich in der modernen Welt zurechtf?nde. All diese Fragen
würden endlos in minimalen Variationen immer wieder auf ihn niederprasseln.
Bei
alledem k?me er überhaupt nicht dazu, seine Botschaft loszuwerden, denn dafür
würde sich kein Schwein interessieren, alles w?re total überlagert vom Rummel
um seine Person und seine Geschichte. Und wenn dieser dann endlich mal etwas
abflaue, würde flugs eine neue Sau durch das Dorf des ?ffentlichen Interesses
getrieben, und Moses h?tte keine Gelegenheit mehr, für die Ausbreitung seines
Lieblings-Mems via Medien zu sorgen.
Moses
beugt sich schlie?lich diesen Argumenten. Als in einer Kultur Aufgewachsener,
in der Autorit?ten eine viel gr??ere Rolle spielten als heute, f?llt ihm das
nicht leicht, er h?tte liebend gerne das Modell von Wilhelm Busch auf seine
Mission übertragen: Wenn alles h?rt und einer spricht, dann nennt man dieses
Unterricht. Doch weise wie er ist, verwirft er dieses Modell als untauglich,
nimmt Abschied von der Vorstellung vom hohen Sendemast und macht sich auf die
Suche nach besseren Alternativen...