Moses 2.0: Wie wir gemeinsam den Wandel vom Lebensstandard zur Lebensqualität schaffen

Bekenntnisse eines Generalisten für reifende Lebensqualität

34. Bewusstwerdung

„Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung!“ Mit diesem Spruch bin ich aufgewachsen, wobei er seinerzeit eindeutig moralisch gemeint war. Das soll uns nicht daran hindern, ihn auch im übertragenen Sinne zu nutzen: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zu einer besseren Lebensqualität.

Meine ganzen bisherigen Ergüsse zu Lebensqualität sind von der Überzeugung getragen, wir müssten uns damit bewusst auseinandersetzen, um ihre Potenziale voll nutzen zu können. Diese segensreiche Wirkung von Bewusstwerdung gilt für Gesellschaften ebenso wie für Individuen. Erinnern wir uns daran, dass für eine erfolgreiche Verbreitung der Lebensqualitäts-Meme zunächst eine stabile Verankerung im eigenen Geist gebraucht wird, und diese ergibt sich am ehesten aus einer intensiven bewussten Auseinandersetzung mit dem Thema.

Meiner philosophischen Verankerung gemäß sind für mich Fragen der Königsweg der Bewusstwerdung. Entsprechend arbeite ich an einem Fragen-Set, das mehr Klarheit über Bedeutung und Gewichtung von Lebensqualität bringen soll (siehe auch nächstes Kapitel). Stellvertretend präsentiere ich Ihnen drei Fragen, die Sie sich selber stellen können, und gebe einige Hinweise dazu, wie Sie dies zur Bewusstwerdung und Selbsterkenntnis nutzen können. Weitere Fragen können Sie sich selbst ausdenken und werden von meiner Seite folgen.

Die erste Frage kennen Sie schon, sie wird hier noch um eine dynamische Dimension erweitert:

Wenn Sie einmal die höchste Lebensqualität, die Sie für sich denken können, mit dem Wert 100 beziffern: Wie hoch ist dann Ihre derzeitige allgemeine Lebensqualität? (als Ganzes, nicht auf den jetzigen Augenblick beschränkt). Bitte drücken Sie das mit einer Zahl zwischen 1 und 100 aus.

Welchen Wert hätten Sie vor fünf Jahren gewählt? Und vor zehn Jahren? Welchen Wert werden Sie voraussichtlich in fünf Jahren wählen? Und welchen in zehn Jahren?

Sie können aus diesen Werten eine Kurve zeichnen, so wie die folgende, welche die realen Durchschnittswerte der Bewusstseins-Elite von Herbst 2008 abbilden:

Ich denke, dass Ihre eigene Kurve Sie sehr wohl zum Denken anregen kann: Was hat zur Verbesserung (oder Verschlechterung) meiner Lebensqualität in den letzten Jahren beigetragen? Woher rührt mein Optimismus (oder Pessimismus) bezüglich deren weiteren Entwicklung? Was kann ich zur Aufwertung meines Lebensqualitäts-Kontos beitragen?

Zur Klärung der letzten Frage kann es helfen, sich auf die subjektive Bedeutung der sechzehn Lebensqualitäts-Sphären zu besinnen. Dazu dient die folgende Frage:

Wie wichtig ist jeder der folgenden sechzehn Sphären für Ihre persönliche generelle Lebensqualität? Bitte drücken Sie das mit einer Zahl zwischen 0 (völlig unbedeutend) bis 10 (extrem wichtig) aus.

Und wenn Sie schon dabei sind, können Sie jeweils auch gleich diese Frage beantworten:

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Lebensqualität in diesen einzelnen Sphären? 10 würde wieder die für Sie bestmöglich vorstellbare Lebensqualität bedeuten, und Ihre faktische Zufriedenheit mit dieser Sphäre können Sie mit einer Zahl zwischen 0 und 10 ausdrücken.

Und hier sind einzelnen Sphären aufgelistet:

Materie (Einkommen, Besitz, Konsum, Güter)

Gesundheit (körperlich, geistig, seelisch)

Tun (Arbeit – bezahlte und freiwillige, Aktivität, Kreativität, Leistung, Wirkung)

Beziehungen (Liebe, Familie, Freundschaft)

Raum (Wohnsituation, Wohnort, Mobilität)

Zeit (Integration von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Lebens-Tempo, Oasen im hektischen Zeitstrom)

Sinn (Lebens-Sinn, Sinn-Quellen, Naturerleben, Spiritualität, Religion)

Stabilität (Tradition, Sicherheit, Kontrolle)

Eigenes (Selbstverwirklichung, Treue zu sich selbst, Unabhängigkeit, Lebensgestaltung nach eigenen Werten, Selbst-Kompetenz)

Lebensfreude (Glück, Genuss, Freude, Abwechslung)

Reifung (im Reinen mit sich sein, ständiges Dazulernen, Selbst-Bewusstsein, Vertrauen in inneren Kompass, Weisheit)

Echtheit (Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, Selbständigkeit)

Offenheit (Humor, Optimismus, Intelligenz, Zufriedenheit, Konfliktkompetenz)

Respekt (im Umgang miteinander sowie mit Natur und Kulturen, Zuverlässigkeit, Treue, Toleranz)

Nachhaltigkeit (Umwelt-Verantwortung gegenüber nächsten Generationen, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Menschenrechte)

Lebens-Kunst (Sinn für das richtige Maß, Balance zwischen Lebensbereichen, Integration aller Lebensqualitäts-Sphären)

Jetzt haben Sie also zwei Zahlen. In die folgende Grafik können Sie zunächst die Bedeutung jeder Sphäre für Sie eintragen (die Null ist im Zentrum, die Zehn bei der jeweiligen Sphäre). Wenn Sie diese Punkte miteinander verbinden, ergibt sich eine Fläche, wie sie beispielhaft im kleinen Bild dargestellt wird.

Lebensqualitäts-Sphären-Kranz

Das Beispiel illustriert, was Sie nach der bisherigen Lektüre kaum erstaunen dürfte, meine subjektiven Werte. Darüber können Sie nun philosophieren, oder noch besser über Ihr eigenes Sphären-Bild. Zum Beispiel darüber, wie groß die abgedeckte Fläche insgesamt ist: Je größer, desto anspruchsvoller sind Sie, wenn es um Ihre Lebensqualität geht, was keineswegs per se schlecht sein muss. Oder darüber, ob Sie wirklich immer in die Ihnen wichtigen Sphären investieren. Auch hier sind Ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Auch die zweite Zahl können Sie nutzen, und zwar zur Klärung der Frage, wo Sie mit Ihrer Lebensqualität am meisten unzufrieden sind. Weil Unzufriedenheit in einer Sphäre, die Ihnen unwichtig ist, weniger zählt als in einer wichtigen Sphäre, empfehle ich folgende Formel:

(10 – Zufriedenheitswert) x Bedeutungswert

Beispiel: Bedeutungswert = 8 , Zufriedenheitswert = 4:  (10 – 4) x 8 = 48

Die Formel ergibt eine Skala von 0 bis 100: Je höher der Wert, desto gewichtiger Ihre Unzufriedenheit. Auch das ergibt sicher reichlich Stoff zum Philosophieren...

P.S. Eines Tages wird Ihnen sicher ein kleines Computerprogramm die Zeichnung von Grafiken oder die Berechnung von Formeln abnehmen, aber ein bisschen entschleunigte Handarbeit kann der Selbstklärung durchaus förderlich sein.

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Selbstreflexion

Selbstreflexion heißt eigentlich nichts anderes als Selbstbespiegelung, und die hat keinen guten Ruf. Sich in sein eigenes Spiegelbild im Wasser zu verlieben, war die Sünde des mythologischen griechischen Jünglings Narziss, von dem die Bezeichnung Narzissmus abstammt. Und ein Narzisst ist ein unangenehmer Zeitgenosse, der sich nur um sich selbst kümmert.

Nichtsdestotrotz bin ich ein bekennender Anhänger der Selbstreflexion. Zum einen, weil ich mir kein ergiebigeres Forschungsfeld vorstellen kann: Es ist reichhaltig, ich kenne es wie sonst kaum was, und trotzdem hält es immer noch Überraschungen und neue Erkenntnisse bereit.

Zum anderen aber auch, weil es keine überzeugende Alternative zur Selbstreflexion gibt, wenn es um unser Bewusstsein geht. Wenngleich die aktuelle Gehirn- und Bewusstseinsforschung das anders sieht und lieber von außen „misst“, was im Gehirn vorgeht, so kann doch niemand anders als wir selbst wissen, was wirklich in unserem Gehirn vor- und abgeht. Und das wiederum erfahren wir nur durch Innenschau, durch bewusste Selbstreflexion. Von daher ist es mir unverständlich, wie man über Bewusstsein streiten kann, ohne zu berücksichtigen, was beispielsweise die Innenschau veränderter Bewusstseinszustände zur Erhellung beitragen könnte.

Nun, Lebensgestaltung ist bekanntlich keine Wissenschaft, sondern eine Kunst, und Kunst kommt immer von innen. Lebenskunst ohne Selbstreflexion mag möglich sein, wenn jemand lebenskünstlerisch hoch begabt ist, doch für uns Normalsterbliche ist das eine ohne das andere undenkbar. Wie soll ich wissen, ob ich auf dem richtigen Weg unterwegs bin, wenn ich nicht regelmäßig auf meine innere Stimme höre? Und wie soll ich darüber entscheiden, in welche Lebensbereiche ich investieren soll, wenn ich mich nicht gelegentlich frage, worum es mir geht und was mir wirklich wichtig ist?

Selbstreflexion heißt natürlich, auf mein ganzes inneres Stimmenspektrum zu hören, auf Stimmungen und Gefühle, auf Ideen und Einfälle. Vor allem aber bedeutet sie für mich einen inneren Dialog, das heißt, ich stelle mir selbst Fragen. Fragen sind für mich der Königspfad zur Bewusstwerdung.

Deshalb habe ich im Laufe eines langen Lebens auch viel Zeit und Energie investiert, um spannende und erhellende Fragen zu formulieren. Dazu musste ich mich oft von ausgetrampelten Denkpfaden entfernen, weil von dort aus nichts Interessantes mehr zu entdecken ist. Es gilt schließlich nicht nur, dass es so aus dem Wald zurück klingt, wie man hinein ruft, es gilt auch, dass man nur auf gescheite Fragen gescheite Antworten bekommt.

Dass ich immer wieder als Rückmeldung auf meine Befragungen gehört habe, meine Fragen habe man sich so noch nie gestellt, doch hätten sie durchaus zur Selbstklärung beigetragen, bekräftigt mich natürlich darin, weiterzufahren. Nicht zuletzt deshalb, weil solche Fragen rund um das Thema Lebensqualität nicht nur für die Selbst-Diagnose nützlich sind (meine und Ihre), sondern auch für die Gesellschafts-Diagnose. Und die ist bekanntlich ein weiteres Herzensanliegen von mir.