Erste Eindrücke
vom Buch "EigenSinn macht Sinn":
Einklang:
Lob des EigenSinns
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Einklang: Lob des EigenSinns
Ziemlich eigensinnig sei mein
Tun, sagte vor vielen Jahren eine sehr wohlerzogene Freundin zu mir,
und Stimmlage und Mimik sprachen dabei Bände: Eigenwillig, ja,
das ginge gerade noch durch, aber eigensinnig ist ein bisschen zu viel,
ist schon ziemlich eigenartig und damit auch etwas verdächtig.
Doch vielleicht war da auch
eine Spur von Neid dabei. Immerhin haben schon vor langer Zeit die Herausgeber
einer Sammlung von Texten von Hermann Hesse über "Individuation
und Anpassung" den schönen Titel "Eigensinn macht Spaß"
gegeben. Was, auch in meinen Augen, doch sehr für dieses rätselhafte
Wesen namens EigenSinn spricht.
Im Laufe vieler Jahre habe ich
dieses Wesen besser kennen gelernt, in mir und in vielen Menschen um
mich herum, und dabei immer mehr Hochachtung und Respekt vor ihm erworben.
Dies, obwohl EigenSinn keineswegs immer Spaß macht.
Aber Sinn. Und zwar ebenso für
die einzelnen Eigensinnigen wie für Gesellschaft und Wirtschaft.
Es ist deshalb Zeit, ein Lob des EigenSinns zu singen. Das will ich
in diesem Buch tun, in einer eigensinnigen Mischung aus Innen- und Gesamtschau,
angereichert durch eigensinnige eigene Bilder. Weil EigenSinn Zukunft
hat.
Vielleicht ist es ja wirklich zu
eigensinnig, ausgerechnet ein Buch über EigenSinn schreiben zu
wollen. Jedenfalls von den Marktchancen her gesehen. Eben habe ich mir
die ersten Ergebnisse einer von mir selbst durchgeführten Umfrage
angesehen. Und demnach steht fest: EigenSinn ist alles andere als ein
heißer Wert.
Natürlich gibt es ausnahmsweise
Menschen, die sich vom Reizwort EigenSinn dennoch angezogen fühlen.
Sie, liebe Leserin, lieber Leser, gehören offenbar dazu. Doch wenn
ich danach ginge, welche Reizworte als heiß empfunden werden,
das heißt, auf breitere Akzeptanz stoßen, dann hätte
es selbst in der engsten sprachlichen Verwandtschaft von EigenSinn wesentlich
aussichtsreichere Kandidaten gegeben. Eigenständigkeit etwa. Oder
Eigenverantwortung.
Damit Sie diese Einschätzung
besser verstehen können, muss ich etwas ausholen. Und dabei beginnen
mit meinem Faible für Reizworte.
Worte, so befindet der Volksmund,
sind Schall und Rauch. Das stimmt sicher oft auch. Doch manchmal können
einzelne Worte den Zugang zu ganzen Welten eröffnen. Etwa zu den
Welten unserer Welt- und Menschenbilder. Oder zu den Welten unserer
Werte. Nicht ohne Grund liegen die beiden Begriffe "Wort"
und "Wert" nahe beieinander. Komplexe Vorstellungen über
unsere Werte verdichten wir oft in einem einzigen Wort.
Werte aber werden je länger
je mehr was wert. Und zwar deswegen, weil Werte die oberste Instanz
unseres inneren Orientierungssystems bilden, nach dem wir unser Verhalten
ausrichten. Wenn es um die Frage geht, warum wir etwas tun, sind Werte
deshalb im Zweifelsfall wichtiger als bloße Meinungen oder Überzeugungen.
Weil mich die Frage, wie Menschen
ticken, immer schon interessiert hat, war es unvermeidlich, dass ich
eines Tages auf das Thema Werte stieß. Man muss die Werte der
Menschen und deren Wandel verstehen, wenn man wissen will,
was in den tieferen Schichten gesellschaftlicher Entwicklungsströme
läuft.
ªMögest du in spannenden
Zeiten leben!´ Im alten China war das eine Verwünschung. Doch
ob Fluch oder Segen wir Heutigen leben ohne Zweifel in spannenden
Zeiten, also in Zeiten des Umbruchs und des Wandels. Und verlieren dabei
leicht den Überblick.
Augenfällig ist der Wandel
zunächst in der Außenwelt: Wohin die geopolitische Weltlage
driftet, weiß niemand so genau. In der Arbeitswelt ist flexible
Anpassung an gewandelte Anforderungen und Situationen zur überlebenswichtigen
Tugend geworden. Von den Techniken und Geräten ganz zu schweigen,
mit denen umzugehen wir immer wieder neu lernen müssen.
Weit weniger augenfällig ist
es für die meisten Beobachter der Zeitläufe, dass auch in
unserem Inneren Prozesse der Wandlung stattfinden, und zwar in zentralen
Bereichen. Es geht dabei um Identität (wer bin ich?), um Orientierung
(wonach soll ich mein Leben ausrichten?) und um Sinn (wozu bin ich da?).
Diese Fragen stellen sich in unseren Zeiten des Wandels deshalb neu,
weil die alten Gewissheiten bei ihrer Beantwortung in alle Winde zerstoben
sind. Kein Kaiser und kein Papst mehr können diese Fragen für
uns beantworten, wir sind damit, wie man so hübsch sagt, ganz auf
uns selbst geworfen.
Womit wir oft ganz schön allein
sind. In unseren Medien haben solche Fragen höchstens am Rande
Platz. Das erweckt den Eindruck, wir, denen uns die Themen rund um Identität,
Orientierung und Sinn ein Herzensanliegen sind, seien mit diesem Interesse
und Engagement Außenseiter, seltsame Zeitgenossen, die sich mit
abseitigen Dingen beschäftigen statt mit den nahe liegenden Problemen;
also alles in allem reichlich eigenartige Wesen.
Gut, manchmal tauchen in unserer
Umgebung ähnlich Gesinnte auf, und wir merken, dass wir doch nicht
ganz allein sind mit unserer Wahrnehmung, es gäbe neben dem äußeren
auch so etwas wie einen inneren Wandel. Wobei der Austausch mit anderen
Fragenden und Suchenden in der Regel auch nur einen Eindruck bestätigt,
den wir schon beim Blick in unser eigenes Inneres gewonnen haben: Dieser
innere Wandel ist fast noch chaotischer und undurchschaubarer als der
äußere.
Gegenüber dieser allgemeinen
Verunsicherung darüber, wohin der innere Wandel läuft, bin
ich als Zukunfts-Philosoph in einer privilegierten Lage. Es steht mir
genug Aufmerksamkeit und Muße zur Verfügung, um mir einen
Überblick darüber zu verschaffen, was da abläuft. Zudem
gibt es für mich neben den allgemein zugänglichen Wissensquellen
einen Dialogpartner, der immer wieder wertvolle Einblicke in den inneren
Wandel ermöglicht: SensoNet, ein Netz von einigen hundert zukunfts-sensiblen
Menschen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum, die gleichsam das Sprachrohr
der Bewusstseins-Elite bilden.
Die Bewusstseins-Elite ist eine
ganz und gar unelitäre Elite, die sich dadurch auszeichnet, dass
sie sich frühzeitig bewusst mit Themen und Fragen beschäftigt,
die noch nicht auf der allgemeinen Tagesordnung stehen, aber in der
Logik der evolutionären Entwicklung liegen. Die Bewusstseins-Elite
ist also eine Art Frühwarnsystem für Entwicklungen, die in
der Luft liegen, ohne schon klare Konturen zu zeigen. Dazu gehören
ganz zentral der innere Wandel und die darum herum kreisenden Fragen
nach Identität, Orientierung und Sinn.
Wenn ich also wissen will, ob eine
meiner Vermutungen über diese inneren Wandlungsprozesse einfach
nur eine abgehobene Spinnerei von mir ist, oder ob sie draußen
im gesellschaftlichen Sauerteig eine Resonanz findet, dann frage ich
einfach SensoNet als Sprachrohr der Bewusstseins-Elite. Heraus kommt
dann beispielsweise eine "Hitparade der heißen Werte":
Ich lege SensoNet eine Reihe von Reizworten vor, das jedes für
einen Wert steht, und frage nach dem Muster des einfachen Kinderspiels,
ob dieses Reizwort als kalt, warm oder heiß empfunden wird.
Dabei nun ergab sich die eingangs
erwähnte Ernüchterung. Während die Reizwort Eigenständigkeit
und Eigenverantwortung von großen Mehrheiten als heiß empfunden
wurden, galt dies im Falle von Eigensinn nur für eine ziemlich
kleine Minderheit innerhalb der Minderheit der Bewusstseins-Elite
wohlverstanden.
Vermutlich hat genau das meinen
eigenen EigenSinn verstärkt. Denn während mich das Thema der
Reizworte schon eine ganze Zeit lang reizte, hat sich in den letzen
Jahren der Reiz von umstrittenen Reizworten verstärkt, was man
an meiner Buchproduktion ablesen kann. Zunächst habe ich mich mit
weit herum akzeptierten Reizworten wie Werte und LebensQualität
befasst. Reife war demgegenüber ein weniger heißer
Wert, der aber eine klar aufsteigende Tendenz zeigt.
Dann habe ich mich einem Wert zugewandt,
der bislang eher ein Mauerblümchendasein fristete, nämlich
Zufriedenheit, die gegenüber ihrem Geschwister Glück
doch als eher betulich und unsexy gilt. Dass dies eine Unterschätzung
eines wertvollen Werts ist, hat die Bewusstseins-Elite immerhin erkannt,
auch bei Zufriedenheit geht die Tendenz klar nach oben.
Klar war mir auch früh, dass
ich mich mit der Begriffsbildung Bewusstseins-Elite in ein Wespennest
setzen würde. Zu sehr weckt der Begriff der Elite zumindest
im deutschsprachigen Raum noch Ablehnung und Misstrauen, als
dass ein solches Wort auf ungeteilte Zustimmung stoßen könnte.
Elite ist ein Reizwort im doppelten Sinne: Es strahlt seine Reize aus,
und es kann reizen bis aufs Blut.
Und eben das reizt mich. Nach meinen
Beobachtungen stecken genau in Worten, die reflexartige Abwehrreaktionen
auslösen, oft ungeahnte Potenziale. Das gilt für die Bewusstseins-Elite.
Und es gilt auch für EigenSinn.
Grund genug für mich also,
trotz des zunächst im Wortsinne kühlen Empfangs des Reizworts
EigenSinn durch die Bewusstseins-Elite, mich diesen Potenzialen zuzuwenden.
Und dafür muss eine Perspektive gewählt werden, die über
eine flüchtige Momentaufnahme hinaus reicht.
Dass man mit Momentaufnahmen einen
Prozess tief greifenden Wandels kaum wirklich verstehen kann, versteht
sich von selbst. Bei Wandlungsprozessen geht es nicht so sehr um die
punktuelle Wahrnehmung eines aktuellen Seins, als vielmehr um den Überblick
über das ganze Werden, was es erforderlich macht, nicht nur die
aktuelle Gegenwart ins Auge zu fassen, sondern auch Vergangenheit und
Zukunft einer Entwicklung.
Eines kann ich als Ergebnis meiner
Beobachtungen und Analysen vorweg nehmen: Der innere Wandel läuft
auf eine starke Aufwertung von EigenSinn hinaus.
Vermutlich haben Sie es ja schon
geahnt: Antworten auf die Fragen nach Identität, Orientierung und
Sinn finden Sie nur in Ihrem Inneren, und zwar dort, wo Ihr einzigartiges
und unverwechselbares Eigenes zu finden ist. Und Sie haben vermutet,
dass nur Sie selbst dem Ganzen einen Sinn geben können, ja, dass
der eigentliche Sinn nur im Eigenen liegen kann im EigenSinn.
Diese Ahnung könnte durch dieses Buch zur Gewissheit werden.
ªDie Zukunft gehört den
Eigensinnigen´. Um für diese Gewissheit, die es bisher nur
auf der Ebene des Gefühls gab, überzeugende Gegenstücke
auf der Ebene des Denkens zu finden, müssen wir den Horizont etwas
weiter spannen. Da Zukunft Herkunft braucht, fragen wir uns zunächst,
aus welchen Quellen sich die Entwicklungsströme speisen, die EigenSinn
zu einem wertvollen Wert machen. Und entdecken, dass EigenSinn tatsächlich
einer inneren Logik der (kulturellen) Evolution entspricht.
Danach fragen wir uns, was EigenSinn
eigentlich ist, was ihn ausmacht und auszeichnet, was er mit LebensSinn
zu tun hat, aus welchen inneren Quellen er sich speist und wie er sich
pflegen lässt.
Schließlich werfen wir einen
doppelten Blick in die Zukunft. Wir fragen uns, welchen persönlichen
Nutzen EigenSinn bringt und welchen gesellschaftlichen, also
durchaus auch wirtschaftlichen. So viel vorweg: EigenSinn wird in Zukunft
persönlich wie wirtschaftlich so wertvoll sein, dass Europa nicht
darum herum kommen wird, seine Kultur des EigenSinns bewusst weiter
zu entwickeln.
Übrigens: Ich habe diese Kernthesen
des Buches natürlich auch meiner Resonanzgruppe (SensoNet) vorgelegt.
Ergebnis: überall mehrheitliche Zustimmung. Diese ist allerdings
durchgängig nicht vollständig oder gar enthusiastisch, dafür
stecken einfach zu viele Ambivalenzen in diesem Thema.
Das äußert sich schön
in der einzigen These, zu der es fast vollständige Zustimmung gab:
Auch EigenSinn ist eine Frage des richtigen Maßes. Kein
Zweifel: Übertriebener EigenSinn kippt leicht in Sturheit. Diesem
Thema werden die abschließenden Bemerkungen in diesem Buch gewidmet
sein. Zuvor jedoch möchte ich den teilweise noch unbekannten Potenzialen
nachgehen, die im Wert EigenSinn stecken. Ich tue dies auch aus eigenem
Interesse, weil für mich der Satz uneingeschränkt gilt, der
von SensoNet die zweithöchste Zustimmungsrate erhielt: Ich habe
lieber Eigensinnige um mich herum als Konformisten.
Weil EigenSinn viel mit Introspektion,
also mit dem Blick in das eigene Innere, zu tun hat, stelle ich an den
Anfang jedes Kapitels ein paar persönliche Bemerkungen. Und weil
sich EigenSinn mit Sprache nicht vollständig erfassen lässt,
findet sich ebenfalls am Anfang jedes Kapitels ein Bild aus meiner aktuellen
Foto-Produktion, das einen zusätzlichen Weg zum jeweiligen Thema
eröffnen kann.
Als Chronist und Analytiker des
inneren Wandels stellen sich für mich durchgängig zwei Fragen:
Was treibt die Menschen in ihrem Innersten an und somit auch
mich? Und: Worauf läuft das Ganze hinaus? Auf welchen Punkt in
der Zukunft, auf welchen "Attraktor", fließen die Entwicklungs-Ströme
hin? Auf beide Fragen ist "EigenSinn" eine gute Antwort. Nicht
die einzige natürlich, aber eine wichtige. Den Eigensinnigen gehört
tatsächlich die Zukunft. Und EigenSinn macht tatsächlich Sinn.
Lohnt es sich für Sie, sich
auf das gedankliche Abenteuer EigenSinn einzulassen? Ja, solange Sie
sich bewusst sind, dass solche Gedankenspiele zwar wertvolle Impulse
und Anregungen zur Pflege Ihres eigenen EigenSinns liefern können,
diese aber nicht ersetzen. Ich fürchte, für die Pflege Ihres
eigenen EigenSinns kommt niemand in Frage außer Ihnen selbst...
In diesem Sinne wünsche ich
Ihnen anregende und vergnügliche Lektüre und ein gedeihliches
Wachstum Ihres sinnvollen, weil einzigartigen eigenen EigenSinns.
Wald (Appenzellerland/Schweiz),
im Winter 2006/07
Ihr
Titel
und Klappentext
Inhaltsverzeichnis
Einklang:
Lob des EigenSinns
Beachten Sie auch den Artikel
Die Zukunft gehört den Eigensinnigen!
Wenn Sie dieses Buch mögen,
dann vielleicht auch Die Bewusstseins-Elite.
Es enthält ähnliche Themen, ist aber ein wissenschaftliches
Porträt dieser die Zukunft prägenden gesellschaftlichen Vorhut
mit vielen Grafiken und Zahlen.
Vielleicht interessieren
Sie sich auch für eines, das ich vor bald zwanzig Jahren geschrieben
habe, und das in Vielem ein Vorläufer des aktuellen ist: Vom
Chaos zur Ekstase - oder Bewusstseinserweiterung macht Spaß!