Vorwort des Herausgebers:
E-Mails aus der Zukunft! Das klingt doch reichlich
phantastisch, ja, für aufgeklärte und kritische Zeitgenossen
geradezu nach einer geistigen Zumutung. So dachte auch ich zunächst,
als mir die ersten Mails zugestellt wurden, die angeblich von
einer gewissen Xenia Futura stammen sollten, vor allem aber aus
der Zukunft, genauer gesagt aus einer Zeit jeweils genau einundzwanzig
Jahre nach dem Empfangsdatum.
Die Mails kamen übrigens anonym zu mir.
Ich habe, als mein Interesse dann doch geweckt war, einen Spezialisten
damit beauftragt, ihre Spur zu verfolgen, was ihm aber nicht gelang.
So habe ich bis heute keine Ahnung, wer dahinter steckt. Dass
Xenia Futura ein Deckname ist, war von Anfang an offenkundig,
bedeutet er doch nichts anderes als "die Fremde, Unbekannte
aus der Zukunft". Rasch klar wurde auch, dass die E-Mails
aus der Zukunft an niemand anderen adressiert waren als an die
eigene Doppelgängerin in der Zeit, also an sich selbst in
der Ausgabe unserer Gegenwart. Deshalb habe ich die Empfängerin
in dieser Ausgabe Xenia Präsens genannt.
Allerdings weiss ich nicht mit Gewissheit,
ob es sich denn beim Absender und Empfänger der Mails tatsächlich
um eine Frau handelt. Offensichtlich hat die Autorin (oder der
Autor) sowohl in ihrer heutigen als auch in ihrer künftigen
Ausgabe gute Gründe dafür, ihre Identität geheim
zu halten. Eine Ahnung davon vermittelt die Lektüre des ersten
E-Mails aus der Zukunft. Diesen Wunsch gilt es zu respektieren.
Ebenfalls im ersten Mail sind einige Hinweise
auf die Art des Transports dieser Informationen durch die Zeit
enthalten, die den Gedanken an E-Mails aus der Zukunft nicht mehr
ganz so phantastisch erscheinen lassen. Schliesslich hätte
vor rund zwanzig Jahren die grosse Mehrheit den Gedanken, dass
E-Mails heute so selbstverständlich sind wie Telefongespräche
damals, ebenfalls für ziemlich phantastisch gehalten...
Doch letzten Endes ist für mich die Frage
nach der Echtheit der Mails gar nicht so entscheidend. Wichtiger
erscheint mir ihr Inhalt. Xenia Futura, oder wer auch immer dahinter
steckt, vermittelt in ihren Korrespondentenberichten aus der Zukunft
einen spannenden Ausblick über das, was sich in den nächsten
zwei Jahrzehnten in unseren Köpfen und Wertelandschaften
verändern wird oder jedenfalls verändern könnte.
Vor allem aber bieten die E-Mails aus der
Zukunft einen Blick auf unsere Gegenwart, und zwar aus einer übergeordneten
Perspektive, die einen klareren Blick auf evolutionäre Entwicklungen
erlaubt, als wenn man mitten im Gewühl der täglichen
Trendmeldungen steckt. So erlauben sie einen Blick auf Gewächse,
die sich heute noch im Stadium des Keimens oder Knospens befinden,
in denen jedoch das Potenzial zu Wachstum und Blüte steckt.
Das gilt vor allem für das Kernthema,
um das Xenia Futuras Ausführungen und Beobachtungen kreisen:
Auto-Evolution. Es geht bei diesem heute noch weitgehend unbekannten
Begriff, Sie ahnen es schon, nicht um die Evolution des Automobils,
sondern um Selbstentwicklung. Also drehen sich auch die E-Mails
aus der Zukunft um die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit,
um die Idee, dass auch soziale oder wirtschaftliche Gemeinschaften
den Gesetzen der Evolution unterliegen und deren Chancen nutzen
können, um die Werte, nach denen wir unser Leben in Zukunft
ausrichten werden, um künftige Formen von Arbeit oder Zusammenleben,
und um vieles mehr. Am besten, Sie lesen selbst...
Neben den Inhalten hat mich auch der Ton der
nun vorliegenden Mails überzeugt. Xenia Futura vermeidet
dogmatische Festlegungen und lädt ihre Leserinnen und Leser
stattdessen dazu ein, ihr eigenes Leben aus ungewohnten Perspektiven
zu betrachten und sich dadurch vor allem zu eigenen Gedanken anregen
zu lassen. Dass sie dies in einem lockeren Plauderton tut, der
weder Ironie noch Selbstironie vermissen lässt, spricht nicht
gegen ihre Seriosität, sondern dafür. Ihrem Kernthema
Auto-Evolution wäre alles andere nicht angemessen.
Vom augenzwinkernden Ton bin ich übrigens,
wie Sie bald lesen werden, selber betroffen, nämlich an jener
Stelle, an der Xenia Futura ihrem "Vorgängermodell"
ankündigt, sie werde die E-Mails aus der Zukunft bei einem
eher obskuren Herausgeber unterbringen können, dieweil bekanntere
Verlage ein solches Projekt schon deshalb ablehnen müssten,
weil es in keine Schublade passe. In diesem Punkt war ihre Prognose
richtig, wenn auch nicht allzu schwer...
Zur Publikation hat mich die unbekannte Einsenderin
der Mails übrigens ausdrücklich ermächtigt. In
Übereinstimmung mit ihrer künftigen Ausgabe schätzt
sie das Risiko von daraus erwachsenden Zeit-Paradoxien gering
ein, weil ohnehin niemand an den Schalthebeln der Macht einen
solchen Bericht aus der Zukunft zur Kenntnis, geschweige denn
ernst nehmen wird. Womit sie, um eine weitere leichte Prognose
zu wagen, wohl Recht behalten wird.
Umgekehrt, so ihre Überzeugung, könnten
ein paar von jenen Menschen, die sich heute schon mit Auto-Evolution
beschäftigen, darin bestärkt werden, dass sie in der
richtigen Richtung unterwegs sind. So könnten ihre Beobachtungen
aus der Zukunft eine sanfte, unspektakuläre und nur langsam
sich entfaltende, doch gerade deswegen nachhaltige Wirkung entfalten.
Da Xenia Futura das, was für uns noch unbekannte Zukunft
ist, schon kennt, müsste sie es eigentlich wissen.
Die Bilder, die jedes E-Mail schmücken,
stammen übrigens nicht aus der Zukunft, die zur Verfügung
stehende Brücke über die Zeit erlaubt, wie in den Frühzeiten
des Internets, nur reinen Texttransport. Diese Bilder sind in
unserer jüngsten Vergangenheit von der Einsenderin, also
von Xenia Präsens, aufgenommen worden. Es entspricht ihrem
ureigensten Wunsch, dass die traditionelle Form von Buch-Schmuckbildern
mit dem sehr zukunftsträchtigen Inhalt der Mails kombiniert
wird.
Es bleibt mir nur, Ihnen ebenso anregende
wie vergnügliche Lektüre zu wünschen. Und wenn
Sie wissen wollen, ob die in den Mails von Xenia Futura geschilderten
Zukünfte tatsächlich eintreffen, brauchen Sie sich nur
für die nächsten einundzwanzig Jahre gesund und neugierig
zu halten, und schon werden Sie es wissen...
Wald AR (Schweiz), Anfang 2008:
Der Herausgeber
zum ersten E-Mail
aus der Zukunft