Reife
als Ressource
Es mag
daran liegen, dass ich in meiner Kindheit viele Wochen ferienhalber
in einem kleinen Privataltersheim verbracht habe, dass ich zum Thema
Alter früh ein unverkrampftes Verhältnis entwickelte. Mit
40 (!) habe ich ein Buch angefangen zu schreiben mit dem Titel "Rundum
reif - eine neue Vision des älter Werdens". Leider, oder besser
zum Glück, ist es nie fertig geworden, doch als Lebensthema war
Reife für mich offensichtlich früh eine Ressource.
Wie innen
so aussen: Nicht nur als Individuen werden wir älter, sondern auch
als Gesellschaft, und das ist für einen neugierigen Sozialwissenschafter
wie mich ein spannendes Thema: Was verändert sich in einer älter
werdenden Gesellschaft ? Gibt es zum Beispiel einen Wandel der Werte?
Jetzt,
selber jenseits der magischen Altersgrenze von fünfzig, empfinde
ich mein persönliches älter Werden zunehmend als Bereicherung:
Reifung ist ein faszinierender Prozess.
Diese
neue Sicht des älter Werdens trägt nicht zufällig einen
Namen: Reife. Ein reifer Apfel schmeckt nun mal besser als ein alter...
Wer die
älter werdende Gesellschaft verstehen und sie nutzen will, muss
zunächst sein eigenes älter Werden verstehen und akzeptieren.
Und dann, im nächsten Schritt, nicht als Bedrohung deuten, sondern
als Chance zu Reifung und Reife.
Dann kann
wahr werden, was ich anderer Stelle so formuliert habe:
»Die Idee von Reife
ist genau das: eine allgemeine Richtungsangabe für Entwicklungsprozesse.
Reife ist das am Anfang noch verborgene Potenzial, das sich im Laufe
der persönlichen Evolution allmählich ent-wickelt. Indem die
Idee der Reifung eine befriedigende Antwort auf die existenzielle Grundfrage
"wohin gehe ich?" bietet ("hin zur Reife"), stiftet
sie, nicht nur, aber vor allem für die zweite Lebenshälfte,
Identität: Ich reife, also bin ich.«